Hotels, Banken und Rettungsboote
Die Frankfurter Buchmesse und der Strukturwandel
Frankfurt am Main – In Offenbach, vor dessen Toren Frankfurt liegt, gibt es viele Apotheken und wenige Läden. Trotzdem nimmt man hier, der Liebe zu den insolventen Offenbacher Kickers folgend, immer gern Unterkunft. Und sollte es den Hotelgast – der einen gegenüber dem Normaltarif dreifach erhöhten MesseFreundschaftspreis zahlt – an die westliche Peripherie des Städtchens verschlagen, kommt er dort zu zwei 70 Meter hohen zerfallenden Hochhäusern.
Siemens, sagt einer, sei das einmal gewesen, genauer: die verblichene Kraftwerksunion mit AEG. Zu tun, heißt es, habe dieser irritierende Anblick – nicht weit davon wachsen die Bankentürme in den Himmel – mit Offenbachs Strukturwandel vom Fabrikations- zum Dienstleistungsstandort. Mit einem Strukturwandel kämpft auch die Buchbranche. Komisch nur, dass man an der Buchmesse, auf der es noch nie so ungeschminkt ums Geschäft ging, kaum etwas davon merkt. Zuweilen fühlt man sich in den Hallen, wo sie die Lesung des in der dritten Person von sich redenden Bumm Bumm Becker stürmen und irgendwo ein bedeutender Lyriker niemandem Gedichte vorliest, wie auf einem leckgeschlagenen Schiff, dessen Offiziere sich längst in den Rettungsbooten um Plätze prügeln.
Bei S. Fischer, dem deutschen Verlag Alice Munros, musste man gestern die Werke der Nobelpreisträgerin erst herankarren. Der Kleinverlag Dörlemann, der auch zwei Munro-Titel im Programm führt, hatte immerhin Hoffnungen gehegt und Sekt eingekühlt. Von Munros Erzählungsband Was ich dir schon immer sagen wollte gibt es bei Dörlemann 117 Stück. Nicht am Stand. Insgesamt lieferbar.