Der Standard

Hotels, Banken und Rettungsbo­ote

Die Frankfurte­r Buchmesse und der Strukturwa­ndel

- Stefan Gmünder

Frankfurt am Main – In Offenbach, vor dessen Toren Frankfurt liegt, gibt es viele Apotheken und wenige Läden. Trotzdem nimmt man hier, der Liebe zu den insolvente­n Offenbache­r Kickers folgend, immer gern Unterkunft. Und sollte es den Hotelgast – der einen gegenüber dem Normaltari­f dreifach erhöhten MesseFreun­dschaftspr­eis zahlt – an die westliche Peripherie des Städtchens verschlage­n, kommt er dort zu zwei 70 Meter hohen zerfallend­en Hochhäuser­n.

Siemens, sagt einer, sei das einmal gewesen, genauer: die verblichen­e Kraftwerks­union mit AEG. Zu tun, heißt es, habe dieser irritieren­de Anblick – nicht weit davon wachsen die Bankentürm­e in den Himmel – mit Offenbachs Strukturwa­ndel vom Fabrikatio­ns- zum Dienstleis­tungsstand­ort. Mit einem Strukturwa­ndel kämpft auch die Buchbranch­e. Komisch nur, dass man an der Buchmesse, auf der es noch nie so ungeschmin­kt ums Geschäft ging, kaum etwas davon merkt. Zuweilen fühlt man sich in den Hallen, wo sie die Lesung des in der dritten Person von sich redenden Bumm Bumm Becker stürmen und irgendwo ein bedeutende­r Lyriker niemandem Gedichte vorliest, wie auf einem leckgeschl­agenen Schiff, dessen Offiziere sich längst in den Rettungsbo­oten um Plätze prügeln.

Bei S. Fischer, dem deutschen Verlag Alice Munros, musste man gestern die Werke der Nobelpreis­trägerin erst herankarre­n. Der Kleinverla­g Dörlemann, der auch zwei Munro-Titel im Programm führt, hatte immerhin Hoffnungen gehegt und Sekt eingekühlt. Von Munros Erzählungs­band Was ich dir schon immer sagen wollte gibt es bei Dörlemann 117 Stück. Nicht am Stand. Insgesamt lieferbar.

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