Klein- und Mittelunternehmen des Geistes
Die Exzellenz blüht anderswo: Eine Replik auf den offenen Brief des FWF
In einem offenen Brief ( Standard vom 9. Oktober) übermittelt das Kuratorium des FWF den politisch Verantwortlichen seine Einschätzung des Status quo im Bereich der Grundlagenforschung. Das Wort taucht im Text fünfmal auf. Was darunter zu verstehen ist, bleibt unklar. Vermutlich hält man diejenigen Projekte, die man fördert, dafür, und das genügt als Abgrenzungskriterium. Auch gehe es mit der Wissenschaft hierzulande bergauf – mehr eingereichte Anträge beim FWF, Stipendien beim European Research Council – und schon wird Österreich „wieder als Land exzellenter Wissenschaft wahrgenommen“.
Die Rhetorik von „Exzellenz und Standort“in der Diskussion über Wissenschaft, Forschung und ihre Förderung ist derzeit in Mode. Was verbirgt sich dahinter, was ist von der Diagnose des FWFKuratoriums zu halten? Zunächst ist die Steigerung bei den eingereichten Anträgen nichts anderes als die Folge der Tatsache, dass nun auch Universitäten zusehends auf den Drittmittelmarkt angewiesen sind.
Bei Berufungsverhandlungen ist die Summe der eingeworbenen Drittmittel heutzutage eines der zentralen Qualitätskriterien zur Bewertung der Kandidaten. Da mag einer langweiligste Forschung gemacht haben, was zählt, ist, dass sie richtig Geld gekostet hat. Und die Chancen für berechenbare am Mainstream orientierte Projekte Mittel zu bekom- men ist relativ groß. Man muss nicht die bekannte Trias Darwin, Marx und Freud bemühen, um daran zu erinnern, dass Neues eher außerhalb als innerhalb der Akademie entsteht.
Akademischer Versager Kant
Was hat es nun mit der vom FWF Kuratorium so gelobten Grundlagenforschung auf sich, welche Grundlagen werden da erforscht? Zunächst ist festzuhalten, dass man besser von noch nicht marktreifer Forschung sprechen sollte. Disziplinen wie Materialforschung, Computerwissenschaft, aber auch die sogenannten Life-Sciences sind nichts anderes als Vorstufen kommerziell verwertbarer Technologien und Produkte – neue Materialien, Rechenverfahren und Medikamente, die dann vielleicht den Wirtschaftsstandort stärken.
Sodann fällt auf, dass hier alle anderen Disziplinen kaum eine Rolle spielen. Philosophie, Ethnologie, Geschichte, Soziologie, Literaturwissenschaft – wird hier eigentlich auch Grundlagenforschung betrieben? Wohl eher nicht. Die vorschnelle Verabschiedung von sogenannten Orchideenfächern im Namen von Exzellenz und Standort aber kann sich unversehens rächen.
Man denke nur an den rapide gestiegenen Bedarf an Islamwissenschaftlern, Iranisten oder Ethnologen mit Afghanistanexpertise, die auf einmal von Militär und Sicherheitskräften nachgefragt wurden, weil man keinen Schimmer vom neuen Feind hatte.
Und schließlich ist daran zu erinnern, dass „Wissen“ein öffentliches Gut ist und dass man es nicht auf Technologie reduzieren sollte. Der von Kant angezeigte Weg aus selbst verschuldeter Unmündigkeit (auch er übrigens nach den Kriterien des FWF eher ein akademischer Versager) führt nicht über Teilchenbeschleuniger oder Nanotechnologie.
Auch mag man hier Mittel aus der Industrie lukrieren und dies für einen Fortschritt halten. Aber es sind – und hier könnte man von dem sonst immer als Vorbild herangezogenen USA lernen – oft die kleinen, außeruniversitären, auf eigenes Risiko und ohne große staatliche Gängelei agierenden Forschungsunternehmen, die den Variety-Pool der Innovation erhöhen und den Stachel der kritischen Aufklärung kultivieren. Aber dieses Unterholz der Wissenschaft hat man hierzulande kräftig zurechtgestutzt. Oder, um es in der derzeit beliebten Sprache der Ökonomie zu formulieren: Man sollte die Klein- und Mittelunternehmen des Geistes fördern, denn dort ist der Return on Investment in aller Regel größer. Das ließe sich auf Heller und Pfennig belegen. Aber das ist eine andere Geschichte und keine, die den FWF oder die von ihm adressierten Politiker interessiert. REINHARD KREISSL ist Leiter des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie Wien und Koordinator diverser nationaler und europäischer Forschungsprojekte im Rahmen außeruniversitärer, nicht subventionierter Forschung.