Flämischer Phrasendrescher
Gemalte Redewendungen waren eine Spezialität Pieter Brueghels. Im Tondi-Format reg(t)en sie zum Sammeln an.
Tondo ist im Falle Pieter Brueghel d. Jüngeren nicht gleich Tondo. Abseits des üblichen Vierecks spielte diese Sonderform des Rundbilds im OEuvre des flämischen Barockmalers eine stärkere Rolle als bei jedem anderen seiner Zeitgenossen. Hauptsächlich fanden solche im Durchmesser maximal 20 cm messenden Bildchen in seiner Werkstatt bei thematischen Serien Verwendung, seltener bei herkömmlichen Motiven. Im Zuge der dritten Auktionswoche gelangen bei der Altmeister-Auktion (15. 10.) kommende Woche im Dorotheum Vertreter beider Gattungen zur Versteigerung.
Einerseits das um 1616 entstandene Brustbild eines jungen Mannes (12,5 cm), bei dem es weniger um die individuelle Beschreibung des Dargestellten als eher um die Charakterisierung eines menschlichen Typs gegangen sein dürfte. Laut dem international anerkannten Brueghel-Experten Klaus Ertz handle es sich um eine Besonderheit, da bislang nur Köpfe älterer Bauern bekannt seien. In Wien dreht der junge Mann jetzt die zweite Runde auf dem Auktionsparkett: Im Jänner 2011 war er bei Christie’s in New York (50.000– 70.000 Dollar) unverkauft geblieben und harrt nun (30.000–40.000 Euro) auf eine neue Chance.
Deutlich mehr erwarten die Experten hingegen für das aus einer Schweizer Privatsammlung stammende (unsignierte) Tondo, das stellvertretend für eine Spezialität im Brueghel’schen Produktsortiment steht: gemalte Redewendungen. In vorliegendem Fall thematisiert das auf 100.000 bis 150.000 Euro taxierte Bild die Verschwendung an Unwürdige, statt Perlen ließ Pieter der Jüngere den Bauern Rosen vor die Säue werfen.
Die Visualisierung von Sprichwörtern war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zur Hochblüte gelangt: 1559 schuf Pieter der Ältere das in der Gemäldegalerie der staatlichen Museen zu Berlin verwahrtes Großformat, das vordergründig das alltägliche Leben und Treiben in einem Dorf an der Meeresküste zeigt, aber auf den zweiten Blick mehr als 100 niederländische Sinnsprüche und Sprichwörter versammelt. Sein Sohn entwickelte daraus wiederum ein eigenes Sortiment: Die von ihm oder seinen Mitarbeitern gemalten Phrasen-Tondi animierten gerade auch aufgrund ihres Formates zum Sammeln, konnten als Serie ebenso erworben werden wie einzeln.
Auf dem Kunstmarkt sind Serien eher die Ausnahme und finden sich allenfalls im spezialisierten Kunsthandel, etwa bei De Jonckheere (Paris, Brüssel): Jüngst hatte man dort einen Oktett-Satz für vier Millionen Euro im Angebot; 2011 offerierte man beispielsweise den einen Mond anwischerlnden Mann ( Was auch immer ich versuche, es wird mir nie gelingen, ich pisse immer gegen den Mond, 600.000 Euro), von dem nur zwei Versionen bekannt sind.
Generell gilt: Je seltener ein Spruch, desto teurer, und signierte Tondi kosten ein Vielfaches gegenüber unsignierten, die von Werkstatt-Mitarbeitern ausgeführt wurden. Das größte Wertspektrum repräsentiert jedoch das moralisierende Motiv des in den Schweinestall gestoßenen Trunkenbolds: 2002 versteigerte Christie’s (London) die von Vater Pieter 1557 gemalte (und signierte) Urversion für stolze 5,2 Millionen Euro; im Juni dieses Jahres brachte es die Variante seines Sohnes in New York auf immerhin 599.555 Euro. Bei Koller (Zürich) war die Werkstattwiederholung im September (20. 9.) dagegen schon für 22.700
Euro zu haben. sich finden: Rostige Eisenlettern formen das Wort „Less“(Péter Szualay, Acb Galerie, Budapest). Paul Dunca richtet aus: „Dear Money, Fuck You Everyday!“(Salonul de Proiecte, Bukarest). Vlatka Horvat hat verpackte Bilder auf ein Bord gestellt (Żak Branicka); in ihrer Leuchtschrift „Good Life“ist das „f“erloschen.
Sich etwas vorlügen, sich die Welt schöner und größer und reicher träumen, das gelingt vielleicht mit den Rauchwaren, vertrieben im Bauchladen eines Abgesandten der Kunsthalle Semriach. Diese Institution im Format eines Umzugskartons ist ein altes Projekt von Spaßrabauke Christian Eisenberger, auf den Galerist Konzett auch heuer wieder setzt. Die alten österreichischen Wilden – Rainer, Mühl, Brus – zeigt er hingegen auf dem Messesatelliten Parallel Vienna im morbiden Chic des ehemaligen Telegrafenamts, wo Kaufkraftkunden fehlen. Man müsse nicht verkaufen, lacht man auf Nachfrage. In aller Verweigerung entsteht ein Paradox. Steuert der Kunstmarkt in gegenwärtigen antikapitalistischen Trends auf eine Schizophrenie zu?
Glück und Umsatz
Denn trotz aller Ansätze von Popularität und Glück wollen und müssen die Galeristen Umsätze machen. Laut einer Studie erwirtschafteten Galerien (und Kunsthändler) 2012 durchschnittlich 36 Prozent ihres Jahresumsatzes auf Kunstmessen. 2011 lag dieser Wert noch bei 31 Prozent.
Ignoriert man jegliche thesenstützende selektive Wahrnehmung, findet man aber auch Kunst jenseits von Zeitgeist und Moden. Wie etwa Op-Art und Konkretes bei Galerist Lindner. Nikolaus Ruzicska hat etwa François Morellets wunderschöne Wandarbeit Entre deux mers No 1 mit dem Dialog aus silbrig-metallenen Wasserspiegeln (97.500 Euro) installiert.
Auf Vielfalt setzt die Galerie Krinzinger und hängt jeden Tag um: Zur Preview gab es etwa Marina Abramovic ( The Family, Fotografie, 80.000 Euro) oder ein der Oberfläche jeder Messe mit Tiefgang begegnendes Video von Hans Op de Beeck ( Dance, 37.500 Euro).
Und dazu natürlich auch kalkulierbare Größen wie bei Galerist Michael Schultz (Berlin): Dort hängt das teuerste Bild der Messe. 8,5 Millionen Euro für ein abstraktes Großformat von 1982, das allein der klingende Name Gerhard Richter und der winzige Malewitsch ( Frau mit Eimer, 1911– 13) um 1,6 Millionen daneben zu schmücken vermögen.