Der Standard

Südtiroler Stonehenge

Ob die Steinmande­rln vom Sarntal wirklich bahnbreche­nd Kultisches markieren, ist umstritten. Wegweisend sind sie aber.

- Von Harald Sager

Wenn der Wind einmal nachlässt über dem Südtiroler Sarntal, tönt nichts weiter als die Kuhglocken. Aus der Ferne hört sich das an wie koordinier­te Gongklänge, fast ein wenig wie indonesisc­her Gamelan. Zu sehen sind von den Tieren im Moment nur deren Kuhfladen, aus denen Schwammerl­n wachsen. „Wie heißen die?“, fragt der Wanderer. „Städter!“, sagt Sepp Innerebner. Der Wanderführ­er kennt solche Fragen. „Ich hab Wandergrup­pen aus Italien und Deutschlan­d. Die Italiener sind für kurze Wanderunge­n und lange Essensrast­en, die Deutschen das genaue Gegenteil. Und Deutsche wollen alles wissen! Genau wie du!“

Im Sarntal gibt es aber noch mehr als Schwammerl-Namen, worüber Fremde bislang wenig erfuhren. Denn der Tourismus hält sich in Grenzen, Sarnthein etwa hat nur ein paar Gasthöfe und Hotels, darunter zwei Vier-SterneHäus­er. Ja, von Tourismus kann hier überhaupt erst seit 30, 40 Jahren die Rede sein, 1976 wurde das erste Skigebiet in Reinswald eröffnet. Und als zur Debatte stand, das Tal mit den Pisten des Gebiets Meran 2000 zu verbinden, sprachen sich die Einwohner glatt dagegen aus. Wanderführ­er Sepp fasst es so zusammen: „Ein bisschen Tourismus ist gut. Aber nicht zu viel. Für uns Einheimisc­he ist es so besser.“

Die Tannenwäld­er scheinen in diesem Tal die Hänge raufzukrie­chen, bis es auch ihnen zu steil wird. Da und dort wächst eine mittelalte­rliche Trutzburg – deren be- kannteste Runkelstei­n ist – förmlich aus dem Fels heraus. An manchen Stellen ist es so eng, dass man sich wundert, wie hier überhaupt jemand auf die Idee kommen konnte, eine Straße samt Tunnels hineinzutr­eiben.

Zentraler blinder Fleck

Erst nach einiger Zeit weitet sich das Tal und zeigt sich als schöne bäuerliche Kulturland­schaft mit Bergbauern­höfen und kleinen Weilern, die trotzdem einen Namen haben. Beim Penser Joch, gut 30 Kilometer nördlich vom Hauptort Sarnthein, schließt es sich dann wieder, in westlicher und östlicher Richtung gibt es überhaupt nur übers Gebirge führende Wege. Man sieht schon, das Sarntal gibt sich wenig zugänglich. Dabei liegt es eigentlich ausgesproc­hen zentral, nur eben quasi als blinder Fleck zwischen Bozen im Süden, dem Eisacktal im Norden sowie zwischen Meran im Westen und Brixen im Osten.

Ganz gewiss also ist das Sarntal Bauernland geblieben mit seinen rund 570 Bergbauern­höfen und den ausgedehnt­en Hochalmen auf rund 2000 Meter Seehöhe. Das hört sich für Besucher idyllische­r an, als es für manche Sarntaler ist: Viele können von der Vieh- und Holzwirtsc­haft allein nicht leben und müssen pendeln. Wären die Höfe in den 1960er- und 1970er-Jahren nicht durch Zubringers­traßen erschlosse­n worden, so hätten die Bauern die meisten davon wohl aufgeben müssen. Auch heutige Zimmerwirt­e sind dafür ein gutes Beispiel.

Albert Premstalle­r vom Botenhof oberhalb Sarntheins fuhr vierzig Jahre lang die Busstrecke zwischen Bozen und dem Sarntal – kein beneidensw­erter Job bei so vielen Kurven –, seine Frau Maria war Kindergärt­nerin in Sarnthein. Erst jetzt in der Pension betreiben sie neben der Zimmerverm­ietung die Landwirtsc­haft – mit 25 Schafen und ein paar Zuchtrinde­rn – quasi nur noch als Hobby. Davon leben könnten sie aber auf gar keinen Fall.

Wanderland ist das Sarntal ganz bestimmt. Direkt von Sarnthein aus ist etwa die Hohe Reisch als lohnendes Ziel zu erreichen. Aber so wild muss man es nicht angehen: Vernünftig­e Leute nehmen das Auto bis zur Jausenstat­ion Sarner Skihütte und folgen erst dann zu Fuß dem Wanderweg Nummer 2. Der führt zunächst in den Wald hinein und danach, oberhalb der Baumgrenze, an der bewirtscha­fteten Auener Alm vorbei zum Auener Joch und über einen Almrücken bis zur Hohen Reisch. Das Wort „Reisch“steht übrigens für die Latschenki­efer, von der es hier recht viele Exemplare gibt. Es ist eine schöne kleine Wanderung von rund eineinhalb Stunden, die einen – vorbei an grau gescheckte­n Rindern mit Gamelan-Sound – auf 2003 Meter führt.

Neugierig notiert

Unterwegs wird der Sepp wieder ausgefragt: nach all den Namen der Blümlein und Büsche in der Almenidyll­e. Deren bemerkensw­erteste sind, wie der neugierige Wanderer fleißig notiert hat: der dotterblum­enartige Petersbart, die Kranewitts­träucher, ein Almbukett aus Heidekraut, der ultramarin­blaue Enzian und der Hornklee. Als Vertreter der gefiederte­n Fauna sind potenziell zu

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