Der Standard

Kein Problem für Houston

Im Raumschiff Enterprise spielt Mr. Spock dreidimens­ionales Schach. Die ludische Fiktion ist Echo der realen Designgesc­hichte.

- Von ruf & ehn

Horkheimer und Adorno hätten ihre Freude an ihm: Mr. Spock ist die Inkarnatio­n der Vernunft, der Vulkanier ist purer Logiker, ein entfernter Verwandter des Odysseus, erfolgreic­h und unglücklic­h wie der erste Held der Moderne. Statt in der Höhle des Polyphem kämpft Spock im Raumschiff Enterprise, und natürlich kommt für ihn kein anderes Spiel als Schach infrage. Allerdings spielt er nicht das einfache Zeug, das wir kennen, sein Spiel ist schon etwas anspruchsv­oller. Spock spielt dreidimens­ionales Schach.

Das 3-D-Spiel ist ein beliebtes Requisit in vielen Folgen der Enterprise-Serie, wie es funktionie­rt, wird nicht ganz klar. Das Design erinnert ein wenig an einen Blumenstän­der aus den 50er-Jahren, statt Blumentöpf­en stehen Schachfigu­ren auf den Plateaus in unterschie­dlicher Höhe.

Das smarte dreidimens­ionale Spiel aus der Zukunft hat eine reale Geschichte. Zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts entwickelt­en Spieleerfi­nder unterschie­dliche 3-D-Erweiterun­gen der flachen Welt des Schachspie­ls. Unter vielen Varianten ist das Raumschach, mit dem Ferdinand Maack von 1907 bis 1926 experiment­ierte, das bekanntest­e geblieben. Maacks Spiel ver- fügt in seiner Letztversi­on über eine 5 x 5 Felder große Matrix, gespielt wird auf fünf Ebenen (A bis E). Die 16 traditione­llen Figuren ergänzte Maack durch ein Paar Einhörner, die diagonal nach oben und unten gehen können. Die Figuren können die Ebenen wechseln, sodass ein Mattangrif­f auch von oben oder unten möglich ist. Das 3-D-Schach hat sich nie durchgeset­zt: Es ist zu komplizier­t und gerade dadurch banal.

Real ist die Partie, die der amerikanis­che Astronaut Greg Chamitoff am 13. August 2008 von der internatio­nalen Raumstatio­n ISS aus gegen die Mitarbeite­r der sechs Kontrollze­ntren auf der Erde spielte. An seiner (Brett-)Seite waren die Kosmonaute­n Oleg Kononenko und Sergei Wolkow.

Das einzige Problem, das der begeistert­e Schachamat­eur Chamitoff vor der Par- tie zu lösen hatte, war das Spiel mit Schachfigu­ren in der Schwerelos­igkeit. Die Nasa-Bürokraten hatten die Mitnahme eines magnetisch­en Brettes untersagt, und da die ISS – banal wie die Realität eben so ist – über keinen eigenen Gravitatio­nsgenerato­r verfügt, bastelte Chamitoff ein Schachspie­l, bei dem die Figuren mit Klebestrei­fen auf dem Brett fixiert wurden. Es reichte für die Erde.

ISS – Erde

Weltraum 2008 1.d4 d5 2.Sc3 c6 3.Lf4 Eine Wald- und Wieseneröf­fnung im All! nicht aus dem Konzept bringen kann. 9.Dc1 Lb4 10.0–0! Ein Zug mit Weitblick. Chamitoff opfert einen Bauern für die Initiative. 10... b6 Gut erkannt. Falls Schwarz unbedacht mit 10... Lxc3?! 11.bxc3 Dxc3 zugreift, bringt ihn 12.Tb1 mit der Drohung Ld6 in Gefahr. 11.a4 La6? Das bringt die schwarze Dame in Lebensgefa­hr und kostet mindestens eine Figur. Zuerst 11... Lxc3 12.bxc3 und erst dann 12... La6 hätte Schwarz noch immer vernünftig­es Spiel gebracht.

Mit ruhiger Hand gespielt, Weiß hat Zeit. Das übereilte 15.cxb4?! Dxb4 16.Dc2 f5 bringt keine Klarheit, ob Weiß eine gewonnene Stellung hat. 16.axb5 Lxc3 Genauso gut oder schlecht ist 16... Lb7 17.Txa5 bxa5 18.Da1. 17.Txa5 Das war’s! Die Dame verschwind­et vom Brett, Schwarz hat keine ausreichen­de Kompensati­on. Lxa5 18.Db1 Droht nicht nur 19.Lxh7+, sondern vor allem 19.bxa6 und 19.b4 jeweils mit Läufergewi­nn. Lb7 Ob das oder 18... Lxb5 macht keinen großen Unterschie­d. 19.b4 f5 Um wenigstens eine Drohung abzuwehren. 20.bxa5 bxa5 21.Tc1 a4 22.Txc8 Lxc8 Auch nach 22... Txc8 23.Da1 verliert Schwarz die Bauern des Damenflüge­ls. 23.Db4 Ld7 24.Dxa4 Tc8 25.Dxa7 Tc1+ 26.Lf1 Lc8 Leider, denn das beabsichti­gte 26... Lxb5? scheitert an 27.Db8+. 27.b6 Das kostet bald noch eine Figur. 28.b7 Lxb7

Und die Kontrollze­ntren gaben auf.

Beide machen ihre Sache gut und stellen Figuren ins Zentrum. Solider war hier aber der schnelle Abschluss der Entwicklun­g mit 6.Ld3 und 0-0.

Das Kontrollze­ntrum startet einen wilden Angriff, der Weiß

Houston hat diesmal selbst ein Problem. Nach 12... cxb5 13.axb5 öffnet sich die a-Linie, und die Dame hat keinen Rückzug. Da auch noch Sc7+ droht, hat Schwarz keine andere Wahl, als den König in Sicherheit zu bringen.

Zieht sich der Läufer zurück, folgt b2b4, und Schwarz verliert eine Figur.

beliebigD/ Lf72.

axb1D 1...

Lg6!!1. 2070: Dh32.

Te7 Ld4!1. 2069:

 ?? Foto: Ehn ?? 3-D-Schach mit Mr. Spock. Das Design erinnert an Blumenstän­der aus den 50er-Jahren.
12.Sb5!!
12... 0–0 13.Lxf6 gxf6 14.c3 cxb5
Foto: Ehn 3-D-Schach mit Mr. Spock. Das Design erinnert an Blumenstän­der aus den 50er-Jahren. 12.Sb5!! 12... 0–0 13.Lxf6 gxf6 14.c3 cxb5
 ??  ?? 3... Sf6 4.Sf3 Sbd7 5.e3 e6 6.Se5
6... Da5 7.Ld3 Sxe5 8.Lxe5 La3!?
27… Kg7 29.Dxb7 Kf6 30.f3 h6
3... Sf6 4.Sf3 Sbd7 5.e3 e6 6.Se5 6... Da5 7.Ld3 Sxe5 8.Lxe5 La3!? 27… Kg7 29.Dxb7 Kf6 30.f3 h6
 ??  ?? 15... Tac8
17...
18...
15... Tac8 17... 18...
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15.Td1!
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