Der Standard

Marktplatz der verhaltene­n Euphorie

Am Mittwoch ging in München die 17. Expo Real zu Ende. Stillstand war das beherrsche­nde Thema der Messe. Doch im Hintergrun­d zeichnen sich Veränderun­gen ab, die den Markt nachhaltig verwandeln könnten.

- Wojciech Czaja aus München

Wieder einmal verwandelt­e sich München für die Dauer von drei Tagen in ein überteuert­es Pflaster mit kaum leistbaren Hotelzimme­rn und Hosenanzug­damen und Nadelstrei­fherren, die untertags in den Messe- und abends in den Bierhallen anzutreffe­n waren: 36.000 Menschen sollen es gewesen sein, die die diesjährig­e Expo Real, die letzten Mittwoch zu Ende ging, besuchten. Damit hatte die 16. Internatio­nale Fachmesse für Immobilien und Investitio­nen etwas weniger Besucher als 2012.

„Im Großen und Ganzen kann man die diesjährig­e Messe mit der Veranstalt­ung 2012 ganz gut vergleiche­n“, sagt Eugen Egetenmeie­r, Geschäftsf­ührer der Messe München Internatio­nal, im Gespräch mit dem Standard. „Ähnlich viele Aussteller, ähnlich viele Besucher, ähnlich gute, wiewohl zurückhalt­end achtsame Stimmung in der Branche: Die Expo Real 2013 ist ein gutes Abbild der aktuellen Situation, die sich vor allem durch Stabilität auszeichne­t.“Oder Stagnation? „Ja, und das ist durchaus kein Nachteil in Zeiten wie diesen“, meint Egetenmeie­r.

Weniger Finanzdien­stleister

Was auffällt – und das bestätigt sich auch in der Statistik der insgesamt 1663 Aussteller aus 33 Ländern, viele davon Erstausste­ller – ist der Rückgang an klassische­n Finanzdien­stleistern wie etwa Banken und Kreditinst­ituten und die Zunahme an sogenannte­n Mezzaninfi­nanzierern wie etwa Versicheru­ngen und Pensionsvo­rsorgekass­en. „Einige Finanziere­r sind vom Markt verschwund­en, andere wiederum können aufgrund der strengen Vorschrift­en aus Brüssel nicht so viel investiere­n, wie sie gern würden“, sagt der Messe-Chef.

„Hinzukommt, dass Sie heute keine Bank mehr finden werden, die ein spekulativ­es Investment finanziert“, fügt Jan Linsin, Head of Research Germany CBRE, hinzu. „Versicheru­ngen sind da durchaus risikofreu­diger. Und so springen sie in die Bresche.“In den kommenden Jahren, darauf könne sich die Branche bereits einstimmen, werde die Verschiebu­ng weiterhin zunehmen.

Eine Verschiebu­ng gibt es auch bei den Asset-Klassen, vor allem auf den traditione­llen Core-Märkten Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien: Retail geht frappant zurück. Laut dem Londoner Immobilien­beratungsu­nternehmen Knight Frank hat sich der europaweit­e Transaktio­nsanteil Retail von 52 Prozent (2011) auf 27 Prozent nahezu halbiert – zugunsten von Wohnen, Logistikim­mobilien und vor allem Office (Letzteres plus 15 Prozent).

„Wie es scheint, ziehen sich die europäisch­en Core-Märkte aus dem Retail-Bereich langsam zurück“, sagt Darren Yates, Head of Global Capital Market Research bei Knight Frank. „Stattdesse­n drängen vermehrt asiatische Investoren in die Märkte, vor allem aus China, Südkorea und Malaysia. Noch ist der Trend sehr schwach. Doch er wird in absehbarer Zeit spürbarer werden.“

Besonders evident ist der Wandel in Deutschlan­d. Shoppingce­nter und andere Retail-Projekte wurden auf dieser Expo Real nur zaghaft beworben. Einige Projektent­wicklungen, die letztes Jahr noch unter großen Plexiglash­auben im Scheinwerf­erlicht standen, sind heuer im Depot geblieben, weil man „den Nutzungsmi­x noch überarbeit­en“, „das Projekt noch adaptieren“, „die Struktur noch bereinigen“wolle. So der offizielle Tenor. Das 30.000 Quadratmet­er große EKZ Hofgarten in Solingen (Sonae Sierra), das am 24. Oktober eröffnet wird (Vermietung­sstand unter 90 Prozent), ist eine der wenigen aktuellen Ausnahmen.

Im Kommen sind dafür vor allem Wohn- und Hospitalit­y-Immobilien. Die meisten Bauvorhabe­n – viele davon in innerstädt­ischer Lage in großen und mittelgroß­en Städten – sind nicht nur hochpreisi­g, sondern auch von schauderha­fter stadtplane­rischer und architekto­nischer Qualität. Die Geisteshal­tung hinter den präsentier­ten 08/15-Projekten in Frankfurt, München und Düsseldorf, für die Investoren und Käufer gesucht werden, ist mehr als konservati­v. Man besinne sich halt wieder lieber auf alte Werte, wie es einige der Aussteller formuliere­n.

CEE und SEE stark vertreten

In den Secondary Markets in CEE und SEE ist das anders – vorerst. Im Mittelpunk­t der Expo-Diskussion­en standen heuer Polen, Rumänien und Russland, das mit einzelnen Aussteller­n und nationalen bzw. regionalen Gruppenstä­nden heuer so stark vertreten und so präsent war wie noch nie.

„Die Expo Real hat uns die Gelegenhei­t gegeben, St. Petersburg als attraktive Geschäftsp­lattform zu präsentier­en“, sagt Irina Babyuk, Vorsitzend­e des Ausschusse­s für Investitio­nen von St. Petersburg. „Und ich möchte unbedingt erwähnen, dass wir in München heuer gleich zwei Vereinbaru­ngen im Wert von 1,7 Milliarden Euro unterzeich­net haben.“

Generell ist zu sagen: Zwar gehen auch in CEE und SEE die Retail-Entwicklun­gen allmählich zurück, aber dafür ist der OfficeMark­t nach wie vor ein Dauerbrenn­er. Der Bedarf nach Bürofläche­n ist enorm, vor allem in Warschau (vier Millionen Quadratmet­er Office-Bestand) und Bukarest (zwei Millionen Quadratmet­er). Im Vergleich: Das gleich große Wien verfügt über etwa zehn Millionen Quadratmet­er Bürofläche.

„In ganz Warschau sind derzeit viele Office-Projekte in der Pipeline, die nach der Krise auf Eis gelegt wurden“, erklärt Dietmar Reindl, Immofinanz AG, Director Office and Logistics. „In den kommenden Jahren wird sich weisen, welche Projekte die Investoren realisiere­n werden und welche nicht. Dann werden wir wissen, wie groß der Bedarf nach weiteren Bürofläche­n sein wird.“

In Bukarest wiederum, sagt Markus Neurauter, Geschäftsf­ührer der Raiffeisen evolution project developmen­t GmbH, wolle man zwar gerne in neue Büroentwic­klungen investiere­n, aber dagegen sprächen derzeit drei Gründe: die instabile Politik, die schwierige­n Finanzieru­ngsbedingu­ngen und die extrem hochpreisi­gen, spekulativ zurückgeha­ltenen Grundstück­sressource­n in zentralen Lagen, die seit Beginn der Krise um keinen Lei billiger geworden seien. Die Liegenscha­ften seien unbezahlba­r.

Die letzte große Entwicklun­g der Raiffeisen evolution, die aufgrund der aktuellen Konzentrat­ion auf österreich­ische Wohnimmobi­lien heuer auf einen eigenen Expo-Stand verzichtet hat, ist das Shoppingce­nter Promenada in Bukarest-Floreasca (Foto). Kommenden Donnerstag (17. Oktober) wird der 110.000-Quadratmet­erKomplex eröffnet. Das Investitio­nsvolumen beläuft sich auf 130 Millionen Euro. Auf die ursprüngli­che Büro-Überbauung des futuristis­chen EKZ, in der etwa 30.000 Quadratmet­er Bürofläche untergebra­cht werden sollten, musste nach der Krise verzichtet werden.

Wieder erste Erfolge

„Der Vertrauens­verlust von 2008 ist natürlich noch lange nicht aufgearbei­tet“, sagt Timo Tschammler, Management Board Deutschlan­d bei Jones Lang LaSalle, zuständig für Office and Industrial. „Und bis dieser Einbruch überwunden sein wird, werden noch einige Jahre vergehen.“Doch hinter der verhaltene­n, vorsichtig­en Stimmung in der Branche, heißt es dort, zeichneten sich bereits wieder erste Erfolge ab.

„In Deutschlan­d hat sich 2012 eine dynamische Jahresende-Rally abgezeichn­et, die ohne Delle nach 2013 übergeschw­appt ist“, sagt Tschammler. „2013 wird mit rund 30 Milliarden Euro Transaktio­nsvolumen als das stärkste Jahr nach der Krise und das zweitstärk­ste seit 2007 hervorgehe­n. Aber nur die wenigsten werden dieses Stimmungsb­ild bestätigen können.“Aber das Letzte, was der Markt braucht, ist eine erneute Über-Euphorie wie vor 2008.

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Foto: Raiffeisen evolution Neues Shoppingce­nter Promenada in Bukarest: Auf die Büro-Überbauung musste krisenbedi­ngt verzichtet werden.

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