Berlusconis düstere Visionen
EU-Kandidatur von Italiens Ex-Premier auf der Kippe
Seit 20 Jahren regiert er seine Partei wie ein Monarch. Doch das nahende Gerichtsurteil – Hausarrest ja oder nein – lässt Silvio Berlusconi in tiefe Depressionen verfallen. Wegen eines Schwächeanfalls musste der Ex-Premier in eine Mailänder Privatklinik eingeliefert werden; Vertraute schildern ihn als niedergeschlagen und mürrisch. Der 78-Jährige will sich mit seinem Schicksal nicht abfinden, stemmt sich mit aller verbleibenden Kraft gegen das drohende Abstellgleis, auf dem seine politische Karriere zu enden droht.
Nach einem nutzlosen Besuch beim Staatspräsidenten, den Berlusconi um Begnadigung ersuchte, bleibt ihm eine letzte Hoffnung: dass die Richter seinen Status als Parteichef in Italien anerkennen und ihm die Kandidatur für die EU-Wahl gestatten. Zwei Richter, ein Kriminologe und ein Vollzugsexperte entscheiden morgen, Donnerstag, ob Berlusconis Antrag auf Sozialarbeit statt Hausarrest stattgegeben wird. Den ExPremier deprimiert besonders, dass er sich demselben Verfahren wie andere Straftäter unterziehen muss: Ein Sozialarbeiter beschreibt Milieu, Familiensituation und Resozialisierungschancen. Dann entscheiden die Richter über den Antrag und die Auflagen für den reuigen Täter.
Die Fetzen fliegen
Derweil fliegen in der führungslosen Partei die Fetzen. Montagabend dementierte Berlusconi ein Ultimatum von Fraktionschef Renato Brunetta an Premier Matteo Renzi, das vereinbarte Reformpaket bis Ostern zu genehmigen. Außerdem erwägt mehr als die Hälfte der berlusconiani, ins Lager von Angelino Alfano zu wechseln.
Berlusconi hat es mit der Verabschiedung des von ihm hartnäckig geforderten Wahlrechts plötzlich nicht mehr so eilig: Denn das sieht eine Stichwahl der stärksten Parteien vor, falls keine die 37-Prozent-Marke erreicht. In Umfragen liegt Forza Italia nun hinter dem Partito Democratico und Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung – für Berlusconi ein Albtraum.