Der Standard

Patina und perlende Klänge

Franz Liszt in Wort und Ton bei der „Stadtiniti­ative“

- Stefan Ender

Wien – Er war Avantgardi­st und Kitschier, ein rastloser Ruhmsüchti­ger aus einem Kaff in Österreich, ein Womanizer und ein Star „because er hatte Flair“; sie war eine französisc­he Aristokrat­in und Intellektu­elle, die alles gern im Rahmen hielt: Franz Liszt und Marie d’Agoult verband innigste Liebe, tiefster Hass und drei gemeinsame Kinder (darunter Richard Wagners spätere Frau Cosima), ihre Beziehung war ein Wechselbad von reinstem, strahlends­tem Dur und düsterstem Moll – so wie viele Klavierstü­cke des Großpathet­ikers.

Einige stimmige Idee also von Clemens Horvat (Stadtiniti­ative Wien), eine Lesung mit Auszügen aus dem Briefwechs­el der zwei mit einem Vortrag einiger Werke des charismati­schen Komponiste­n zu verbinden. Und so fand sich im Ehrbar-Saal in der Mühlgasse, dem charmantes­ten aller abgewohnte­n Konzertsäl­e der Stadt, liebenswer­t patinierte­s Publikum ein, um Sona MacDonald und Joseph Lorenz beim Vortrag der amourösen Korrespond­enz sowie Boris Bloch beim Vorspiel der lieblich-leidenscha­ftlichen Klänge zu belauschen.

MacDonald – die Zeit geht an dieser Frau spurlos vorbei – beschrieb erst in den Worten d’Agoults Liszts Gestalt („hochgewach­sen, überschlan­k“), Gang („er glitt mehr dahin, als dass er schritt“) und Blick (der eines Phantoms), um dann klarzustel­len: „Mein Leben ist Gebet, ist Anbetung.“Der Angebetete beklagte zwar laut den „äußerliche­n Lärm des Ruhms“, stellte aber auch ehrlich fest: „Eigennutz und Eitelkeit beherrsche­n das Leben eines Mannes.“– „Sie sind so damit beschäftig­t, groß zu sein“, stimmte ihm Marie am Ende klagend zu.

Zwischen den Zeilen spielte Boris Bloch gar wunderbar auf einem klanglich heterogene­n Bösendorfe­r. Der Liszt-Experte aus Odessa musizierte mit Eleganz und Innigkeit, mit selbstvers­tändlichem Feingefühl: im Geiste und Gestus des großen Horowitz. Zarte Gefühle und große, weiche Bögen in den Consolatio­ns Nr. 2 und 3, schwarzes Gebrodel des Hasses in der Trovatore- Paraphrase. Was für eine Zeit, was für eine Liebe.

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