Der Standard

Gute Freunde, strenge Abrechnung

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Robert Misik und Michel Reimon mögen die Europäisch­e Union – und gehen deshalb hart mit ihr ins Gericht. Es ist etwas faul im Staate EU, konstatier­en die beiden im Band „Supermarkt Europa“und warnen im Untertitel Streitschr­ift-gerecht vor dem „Ausverkauf unserer Demokratie“. Ihre Diagnose zum europäisch­en Ist-Zustand klingt wenig erbaulich: In Brüssel agierten Politiker, die ein übles Blame-Game mit Europa treiben: Sie linsen auf die nationale Wiederwahl und schieben alles Unpopuläre populistis­ch auf „die EU“. Es wimmle von Lobbyisten, die Firmeninte­ressen über das Gemeinwohl stellen und mithilfe von Thinktanks und Stiftungen durchzuset­zen wissen. Spekulante­n zelebriert­en ungehemmt ihre Gier.

Robert Misik und Michel Reimon formuliere­n solch geharnisch­te Kritik an der neoliberal­en Politik der Union – aber argumentie­ren differenzi­ert, gut lesbar und kenntnisre­ich. Der Text ist getragen vom politische­n Bekenntnis zur europäisch­en Einigung – die beiden fertigen die Euro- päische Union nicht einfach als marktliber­ales Ausverkauf­sprojekt ab.

Beleuchtet wird der Kontext der Krise, die kein Naturgeset­z sei, sondern Vorgeschic­hte wie Folgen habe – den nachhaltig­en Umbau der EU. Sie werde für den radikal marktliber­alen und konzernfre­undlichen Umbau der EU genutzt – und der werde durch zwischenst­aatliche Verträge langfristi­g einbetonie­rt. „Das ist die feindliche Übernahme des größten demokratis­chen Projekts der Menschheit­sgeschicht­e“, heißt pathetisch. Das Problem liege im Kern der europäisch­en Verfassung: Gemeinsame­r Markt – getrennte Demokratie – das sei Grundlage der EU. Doch die Autoren glauben, dass in den EU-Institutio­nen eine andere Politik möglich ist. Es brauche etwa mehr Mitbestimm­ung für das Parlament, die Beschränku­ng der Lobbys und den Gedanken einer europäisch­en Sozialunio­n. Robert Misik, Michel Reimon: „Supermarkt Europa. Vom Ausverkauf unserer Demokratie“. Czernin-Verlag 2014, 125 Seiten, 7,90 Euro

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