Der Standard

Das Placebo könnte wirken

- Gerald John

Wie eine Marionette der Regierung tritt Irmgard Griss nicht auf. Gefällig lächelnd, aber selbstbewu­sst pocht die Chefin der Hypo-Kommission auf Unabhängig­keit – so resolut, dass sich der Auftraggeb­er glatt düpiert fühlen könnte. Das Finanzmini­sterium dürfe sich keinerlei Sonderbeha­ndlung erwarten, erklärt sie coram publico: Informatio­nen über Ergebnisse gebe es erst dann, wenn sie auch die allgemeine Öffentlich­keit bekommt.

Griss nützt die ersten Auftritte geschickt, um ihrem formell machtarmen Gremium gefühlte Autorität zu verleihen: Indem sie vorsorglic­h rote Linien zieht, schränkt sie den Spielraum für Interventi­onsversuch­e ein – fliegt ein Politiker auf, zählen keine Ausreden mehr. Die internatio­nale Besetzung beugt dem Verdacht der Mauschelei vor, überdies hat das honorige Aufklärerq­uintett einen Ruf zu verlieren. Eine ehemalige Höchstrich­terin, ein Uni-Professor, ein Spitzenban­ker: Sie alle haben sich auf das Abenteuer wohl kaum eingelasse­n, um mit einem windelweic­hen Wischiwasc­hi-Bericht ihren Namen zu ruinieren.

Die Voraussetz­ungen sind also gut, dass Griss’ Team mit seiner Arbeit beide Seiten überrascht: die vielen Kritiker, die in der Kommission von der Regierung Gnaden nur ein „Placebo“zu erkennen glaubten, ebenso wie jene Koalitions­politiker, die sich nachsichti­ge Behandlung erhofft haben mögen; ihnen könnte die vermeintli­che Beruhigung­spille für die erbosten Massen noch im Magen liegen. en von der Opposition geforderte­n Untersuchu­ngsausschu­ss kann das Komitee dennoch nicht ersetzen. So couragiert Griss & Co auch auftreten mögen, letztlich halten sie stumpfe Waffen in Händen: Weder können sie die Auskunft von Zeugen noch die Herausgabe von Akten erzwingen. Das Parlament hat weitaus mehr Macht, um entscheide­nde Untersuchu­ngslücken zu schließen.

Außerdem ist die Besetzung der Kommission willkürlic­h und einseitig. Dabei muss man gar nicht so weit gehen und Komplizens­chaft unterstell­en: Aber ein Ex-Direktor der Deutschen Bank, wie er nun unter den Aufklärern ist, hat einen anderen Blickwinke­l auf die Umtriebe der Finanzwirt­schaft als ein Kapitalism­uskritiker von außen. Eine parlamenta­rische Untersuchu­ng garantiert ein breites Spektrum an Perspektiv­en – und entspreche­nde Fragen.

Ungeeignet ist die Kommission, wie die Vorsitzend­e selbst sagt, für die Klärung der politische­n Verantwort­ung. Eine absolut gültige Antwort, die ein Weisenrat quasi amtlich festlegen könnte, gibt es auf diese Frage nicht, viel hängt von der Interpreta­tion ab. Der Abtausch der Argumente in einem U-Ausschuss bietet den Bürgern die Chance, sich selbst ein Bild zu machen; konsequent­erweise sollten die Sitzungen im Fernsehen übertragen werden.

Ja, die Opposition wird dabei den einen oder anderen Showkampf abziehen – na und? Wer das Argument der Koalitions­politiker als Verhinderu­ngsgrund für einen HypoU-Ausschuss ernst nimmt, müsste im Parlament gleich auch das gesamte Plenum zusperren.

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