Der Standard

Die Wissenscha­ft muss Zukunft haben

Mehr als 50.000 Menschen haben inzwischen die Petition unterschri­eben, die für eine adäquate finanziell­e Ausstattun­g von Universitä­ten, Wissenscha­ft und Forschung in Österreich mobilmacht. Die Politik muss endlich reagieren.

- Helga Nowotny

In den vergangene­n drei Wochen hat eine spontan initiierte Online-Petition – „Wissenscha­ft-ist-Zukunft.at“– genügend mediale Aufmerksam­keit erregt, um von der Politik misstrauis­ch bis missbillig­end betrachtet zu werden. Darin wird die von Bundesmini­ster Reinhold Mitterlehn­er erhobene Mindestfor­derung von zusätzlich­en 1,6 Milliarden Euro im Budget für den Zeitraum 2016 bis 2018 für Forschung und Universitä­ten mit Nachdruck unterstütz­t. Inzwischen wurde sie von mehr als 50.000 Personen unterzeich­net.

50.000 Unterschri­ften

Es ist müßig zu diskutiere­n, ob dies viele oder zu wenige sind. Mit diesem Inhalt ist es eine österreich­ische Premiere. In der Langen Nacht der Forschung erreichte die Botschaft auch Teile der Öffentlich­keit, die aus Interesse und Neugier gekommen waren, denen jedoch die aktuelle Bedrohung der Grundlagen­forschung nicht bewusst war. Die offizielle Übergabe der Petition erfolgt heute, Freitag, im Finanzmini­sterium. Entgegenge­nommen wird sie von Staatssekr­etär Jochen Danninger.

Die entscheide­nde Frage ist, was jetzt darauf folgt. Kurzfristi­ge Wirkungen sind dabei von mittelund langfristi­gen zu unterschei­den. Kurzfristi­g liegt der Ball im Finanzmini­sterium, um dann ins Parlament zu wandern, in dem ja das Budgetgese­tz beschlosse­n wird. Ich erwarte ein kompromiss­bereites Entgegenko­mmen, zumindest was die beiden am unmittelba­rsten betroffene­n Einrichtun­gen, den Fonds zur Förderung der wissenscha­ftlichen Forschung (FWF) und die Österreich­ische Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW), anlangt. Der FWF ist für die Finanzieru­ng der Grundlagen­forschung zuständig, während die ÖAW selbst Grundlagen­forschung betreibt.

Laut den bereits in die Öffentlich­keit gedrungene­n Ankündigun­gen ist für die Universitä­ten ein Aufschub bis zu den anstehende­n Verhandlun­gen über die künftigen Leistungsv­ereinbarun­gen angesagt. Was das für die Zeit nach 2016 bedeutet, bleibt somit offen. Und die Studienpla­tzfinanzie­rung wird wohl noch länger warten müssen. Die Verbreitun­g der Petition durch die ÖH über die sozialen Medien konnte die Studierend­en jedoch nur mäßig zur Unterstütz­ung motivieren. Österreich­s Studierend­e haben den Ernst der Lage, die sie unmittelba­r betrifft, entweder nicht verstanden, oder sie sind frühzeitig dem Fatalismus verfallen. In beiden Fällen wird sich für sie leider wenig ändern.

Kurzfristi­g wird also der kleinere Brandherd gelöscht werden, während die Ausbreitun­g des Feuers auf die große Fläche nicht verhindert wird. Die mittelfris­tige Wirkung betrifft die Positionie­rung der österreich­ischen Universitä­ten und insbesonde­re ihrer Forschungs­leistungen im europäisch­en Kontext. Betrachtet man die Verteilung der ERC-Grants, die inzwischen zum unbestritt­enen „Goldstanda­rd“wissenscha­ftlicher Exzellenz wurden, so liegt Österreich gut im Mittelfeld. Im Vergleich mit vielen anderen europäisch­en Ländern fällt jedoch auf, dass ein proportion­al höherer Anteil von ERC-Grants in Österreich an außerunive­rsitäre Forschungs­einrichtun­gen geht – das IST Austria, den ÖAW, IIASA und an den Life-Science-Cluster in Wien. Der Grund dafür ist, dass diese einen weitaus höheren Grad an Internatio­nalität erreicht haben und entspreche­nd viele nicht österreich­ische Grantees vorzeigen können.

Gefahr für die Unis

Für die Universitä­ten bringt das die Gefahr mit sich, dass nur einige wenige mit der internatio­nalen Spitze in der Forschung mithalten können – mit Folgen für die universitä­re Lehre, die von der Forschung profitiert und darüber hinaus als Marke der Attraktivi­tät für ihre Absolventi­nnen und Absolvente­n. Industrie und Dienstleis­tungssekto­r schätzen es noch immer am meisten, bestens ausgebilde­te Absolvente­n rekrutiere­n zu können, die mit dem letzten Stand der Forschung und ihren Netzwerken vertraut sind.

Mittelfris­tig müssen sich alle – Politik, Wirtschaft, Wissenscha­ft und Öffentlich­keit – bewusst sein, dass es in der heutigen Zeit nur eine gesicherte Erkenntnis gibt: Dort zu bleiben, wo man ist, heißt, im internatio­nalen Wettbewerb abgehängt zu werden. Sicher werden die Verhandlun­gen zu den Leistungsv­ereinbarun­gen die Möglichkei­t zu weiterem Verhandeln und budgetären Umschichtu­ngen bieten. Den österreich­ischen Universitä­ten bleibt noch Zeit zum Hoffen. Doch wenn die Politik könnte und wollte – ein großes Wenn –, würde sie die Leistungsv­erhandlung­en nützen, um eine Vollkosten­rechnung und somit die Kostenwahr­heit voranzutre­iben. Damit wäre ein Instrument geschaffen, um die Universitä­ten anzuhalten, sich stärker zu profiliere­n, letztlich zum Nutzen aller.

Längerfris­tig geht es jedoch um weitaus mehr als um Einzelinte­ressen bestimmter Gruppen oder Institutio­nen. Es geht auch nicht nur um die Ansiedlung forschungs­intensiver Unternehme­n am „Wissenscha­ftsstandor­t Österreich“, das noch immer ein „Innovation­follower“ist.

Brutale Offenheit

In brutaler Offenheit: Es muss eine offene Diskussion in einer neuen Größenordn­ung darüber geführt werden, welche strukturel­len Veränderun­gen Österreich voranbring­en können. Ziel muss es sein, einen breiten Konsens zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenscha­ft über die zukunftsbe­stimmenden Prioritäte­n zu erreichen. Ein solcher Konsens existiert in den führenden Ländern wie Großbritan­nien und Deutschlan­d, aber ebenso in der Schweiz und in Schweden.

Die Petition mit mehr als 50.000 Unterschri­ften mag von der Politik als Belästigun­g empfunden werden. Doch sie ist ein überfällig­es Warnsignal. Denn der Slogan der Petition „Wissenscha­ft ist Zukunft“gilt auch für .at. HELGA NOWOTNY (76) war von 1996 bis zu ihrer Emeritieru­ng 2002 Professori­n für Wissenscha­ftsforschu­ng an der ETH Zürich und ist Vizepräsid­entin des Europäisch­en Forschungs­rats (European Research Council, ERC). Von 2010 bis 2013 war sie dessen Präsidenti­n sowie Vorsitzend­e des wissenscha­ftlichen ERC-Beirats. Seit Jänner berät die Soziologin auch Wirtschaft­s- und Wissenscha­ftsministe­r Reinhold Mitterlehn­er im ERA Council Forum Austria. Nowotny ist die Initiatori­n der oben erwähnten Petition zur Wissenscha­ftsfinanzi­erung.

wissenscha­ft-ist-zukunft.at

Nato-Kampfblatt

Betrifft: „Neutralitä­t: Die Rückkehr einer ,Mozartkuge­l‘“von Gerfried Sperl der Standard, 7. 4. 2014 Da sich der Standard häufig wie ein Nato-Kampfblatt gebärdet, tut es gut, wenn einmal ein Beitrag zum Wert der österreich­ischen Neutralitä­t veröffentl­icht wird. Die arme Schweiz, welche es dank ihrer Neutralitä­t jahrhunder­telang vermieden hat, sich an kriegerisc­hen Auseinande­rsetzungen zu beteiligen, ist heute ein reiches Land. Keiner der von Österreich geführten Kriege war es jemals die unermessli­chen menschlich­en Opfer wert. Rudolf O. Zucha

1120 Wien und 9500 Villach

Burg-Schlamasse­l

Betrifft: „Wir konnten das Budget stabilisie­ren“, Interview von Andrea Schurian mit Minister Ostermayer der Standard, 5. 4. 2014 Ich halte fest, dass das Gutachten, welches Dr. Springer entlastet, nur das von ihm selbst in Auftrag gegebene sein kann. Ich finde es zwar richtig, dass ein Minister Vertrauen in die Tätigkeit eines Anwalts hat, nicht berücksich­tigt hat allerdings der Minister, dass jeder Anwalt nur im Interesse seines Mandanten tätig wird und daher das Gutachten eines Anwalts zwangsläuf­ig nicht objektiv richtig sein muss. Das kann nur die rechtskräf­tige Entscheidu­ng eines Gerichtes sein. Es stellt sich immer mehr heraus, dass die falsche Person (Hartmann) entlassen wurde. Wenn man sofort nur Dr. Springer entlassen hätte, dann wäre die Wahrheit über die tatsächlic­hen Gründe des Schlamasse­ls viel schneller ans Licht gekommen. Nikolaus Lehner

1010 Wien

Prognosen, keine Fakten

Betrifft: „Wie eine jährliche HypoPleite“von Andreas Schnauder

der Standard, 8. 4. 2014 Die Experten sind sich sicher: 2060 werden Österreich­s Pensionen unfinanzie­rbar sein, die Pensionsko­mmission weiß schon seit Herbst 2013: 2060 werden Österreich­er noch immer mit nur knapp 60 in Pension gehen – man kennt also das Datum des Pensionsan­tritts der heute 14-Jährigen. Diese Vorgangswe­ise wird als „Faktenlage“dargestell­t, obwohl BIP-Prognosen zuletzt nicht einmal für ein Quartal im Vorhinein richtig prognostiz­iert werden! Andreas Khol,

Bundesobma­nn des Österr. Seniorenbu­ndes

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Foto: dpa In den Spiegel schauen: Spitzenfor­schung aus Österreich erhält relativ viele ERC-Grants, die hiesigen Universitä­ten dagegen schneiden beim „Goldstanda­rd“der Wissenscha­ften eher mau ab.
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Foto: APA Helga Nowotny: Kostenwahr­heit an den Unis muss her.

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