„Dass jemand Spuren von etwas isst und umkippt, ist extrem selten“
Die EU-Liste der Stoffe, die als Allergene ausgeschildert werden müssen, könnte regionale Anpassungen vertragen, sagt Immunologe Christof Ebner.
Standard: Die EU-Allergenverordnung umfasst 14 Stoffgruppen: eine sinnvolle Auswahl? Ebner: Das Ganze ist europaweit gemacht worden, insofern spielen manche Dinge anderswo eine grö- ßere Rolle. Für Österreich ist das Repertoire nicht hundertprozentig repräsentativ. Wieso? Ebner: Krebserzeugnisse zum Beispiel sind bei uns nicht so oft allergieerzeugend wie in Ländern, wo wesentlich mehr Meeresfrüchte konsumiert werden. Auch Senf, Lupinen und Muscheln spielen keine so große Rolle. Es wäre sicher besser, für ein Land oder eine Region eine eigene, aus epidemiologischer Sicht günstigere Auswahl zu treffen. Grundsätzlich ist die Kennzeichnung von Nahrungsmittelallergenen aber zu begrüßen. Doch es gibt eine eigene Gesellschaft für Allergologie und Immunologie – hätte man uns befragt, welche zehn bis 14 Stoffe wir auswählen würden, hätten wir einige, die da stehen, auch genommen, aber diese um andere ergänzt. Was erfasst sein muss und es auch ist, sind Erdnüsse und Hülsenfrüchte, Milch, Ei, Sellerie, gewisse Enzyme, Früchte. Sesam ist auch auf der Liste, kommt aber ungefähr so oft wie Kürbis- oder Sonnenblumenkerne vor, die allerdings nicht erfasst sind. Es darf von geschultem Personal in der Gastronomie oder beim Bäcker auch mündlich über Allergene informiert werden. Ist das sinnvoll? Ebner: Das ist eine Option. Man muss nur aufpassen, dass man das Ganze nicht ad absurdum führt, wie es mit der Kennzeichnungspflicht für verpackte Lebensmittel war. Da hat man sich quasi freikaufen können, indem man draufgeschrieben hat, dass Spuren von Nüssen enthalten sein könnten. Wobei ich aber konzedieren muss: Nahrungsmittelallergien sind nicht sehr selten, gefährliche Nahrungsmittelallergien schon. Dass jemand Spuren von etwas im Restaurant isst, urplötzlich umkippt und einen allergischen Schock kriegt, ist extrem selten. Die Zahl der Nahrungsmittelallergiker nimmt aber zu? Ebner: Die Zahl der Allergiker nimmt zu und aliquot die Zahl der Nahrungsmittelallergiker. Das Hauptpotenzial der Nahrungsmittelallergiker sind die Pollenallergiker, die auf Basis einer Kreuz- reaktion Nahrungsmittelallergien miterwerben. Jemand, der eine Birke-/Erle-/Hasel-Allergie hat, ist immer auch gegen Nüsse und Obst allergisch. Die Symptomatik ist aber nicht gefährlich, da es nur das sogenannte orale Allergiesyndrom auslöst: Juckreiz, Schwellungen in der Mundhöhle. Gefährliche Lebensmittelallergien kommen damit aber auch öfter vor. Ebner: Ja, denn: Eine Allergie kommt selten allein. CHRISTOF EBNER (51) ist Immunologe und Leiter des Allergieambulatoriums Reumannplatz in Wien. Er vertritt die Österreichische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie in internationalen Leitlinienkomitees. Die Zahl potenzieller Allergene nimmt zu, sagt Christof Ebner auf: derStandard.at/Panorama