Alles für die Schönheit
Vor Weihnachten ein großes Problem: sinnvoll schenken und dabei, wenn möglich, auch noch die Persönlichkeit der zu Beschenkenden im Blick behalten. Beide Anforderungen erfüllt das immer beliebter werdende Geschenk einer Schönheitsoperation. Wer dafür, sei es als IkeaFan, sei es aus Sparsamkeit, am falschen Platz selber zum Messer zu greifen plant, könnte am Abend der Bescherung leicht die das Jahr über ersehnte Stimmung christlicher Nächstenliebe trüben. Besser wendet er sich doch an den Schnippler von Profession. Den Weg zu einigen solchen weist nun „News“, vor allem, um auf deren Überlastung aufmerksam zu machen.
Der Kampf der VIP-Doktoren wird auf dem Feld der Schönheit ausgetragen, und zwar bis aufs Messer! Sie schnippeln, zurren und spritzen die Prominenz zurecht, was dieser nicht immer ästhetischen Gewinn, ihnen hingegen eine Menge Arbeitsleid einbringt: Das macht sie bis zu einem gewissen Grad selbst berühmt – und zu erbitterten Rivalen um die Gunst der Öffentlichkeit. Um in diesen Rivalitätskämpfen bestehen zu können, muss man freilich mehr tun, als zu schnippeln, zurren und spritzen. Etwa Österreichs prominentester Schönheitschirurg besucht im Akkord Society-Events und ordiniert auch in einer Fernsehsendung. „Wenn ich da nicht mitmache, stellen sich sofort 80 andere Ärzte an, die das sofort machen würden“– ein unerträglicher Gedanke, aber man muss Opfer bringen: „Die fertigen Sendungen sehe ich mir dann nicht mehr an, weil man sich doch genieren muss.“Wirklich bedenklich würde es erst, ordinierte er im Radio oder auf Twitter. Als gesichtschirurgisches Betätigungsfeld ist Facebook hingegen geradezu prädestiniert.
Ein anderer Chirurg machte viele Partys unsicher, was mit seiner Abbildung in Lederschürze beim Bieranstich glaubhaft illustriert wird. Er würde aber „nie ins Fernsehen gehen, da macht man sich ja zum Affen“, richtet er seinem Kollegen aus, ohne Angebot einer Gesichtskorrektur. Wenn eine Ärztin auf Charity- und Society-Events gern gesehen ist und nebenher Statistin der Wiener Staatsoper, ahnt man die berufliche Belastung in dieser Branche. Ein anderer gefragter Chirurg ist Partylöwe und Inhaber einer feudalen Schönheitsklinik, und im feudalen Milieu blüht der Neid am schönsten. „Seit meiner Teilnahme bei ,Alles für die Schönheit‘ gibt es bei der Ärztekammer immer wieder Anzeigen von Kollegen gegen mich“, klagt ein anderer. Und diese schreitet schon bei geringeren Vergehen wie Schönheitsteilnahme ein. Auch Österreichs prominentester Schönheitschirurg wurde bereits wegen seines freizügigen Privatlebens von der Ärztekammer bestraft: 5.000 Euro musste er im Vorjahr deshalb zahlen.
Ein derart teures Privatleben muss man sich leisten können, wozu ein Chirurg, dem der Jahrmarkt der medizinischen Eitelkeiten zuwider ist, nur feststellen kann: „Den meisten geht es bloß um Geschäftemacherei und die Befriedigung ihrer Eitelkeiten.“Als läge nicht genau darin die Existenzberechtigung dieses Seitentriebes der Medizin!
Als Kontrastprogramm präsentierte „News“einen Mann, dem nichts fremder ist als die Befriedigung seiner Eitelkeit, und diesen in einer fotografisch dokumentierten Schönheit, an der es nichts zu schnippeln gibt: Erwin Pröll, vorausschauend in der Pose eines Hofburg-Prätendenten.
Im selben Anzug mit derselben Krawatte und ähnlich auf Staatsoberhäuptling getrimmt saß er Sonntag auch für den „Kurier“, um diese Woche ein für alle Mal klarzumachen, an eine Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss brauche die Volkspartei nicht einmal im Traum zu denken. Der äußere Anlass für diesen situationselastischen Auftritt war laut „News“von abendländischer Bedeutung. Pröll übernimmt am 1. Jänner erneut den Vorsitz von Österreichs Landeshauptleutekonferenz – dem realpolitisch wohl einflussreichsten Machtzirkel der Republik.
In der Zentrale der ÖVP Niederösterreich konnte es daher, für alle, die es noch nicht begriffen haben, gar nicht anders zugehen als so: Mit stehenden Ovationen feierten Hunderte Funktionäre das „First Couple“des Landes. Meldete sich doch der mächtige Schwarze mit diesem Auftritt nach „stillen“Monaten wieder im politischen Ring zurück. Nur eines ließ Prölls Leibjournalist offen: Warum dieser Abstieg aus dem einflussreichsten Machtzirkel der Republik in die Hofburg? Ein Anfall von Demut?