Der Standard

Die Entfremdun­g gegenüber den USA

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DDer Folterberi­cht des amerikanis­chen Kongresses bestätigt nur, was man ohnehin wissen konnte: Die CIA hat im Rahmen des „war on terror“gefoltert. Die Regierung Bush war Komplize. Das ist eine Katastroph­e für die Werte der US-Demokratie. Der Kongressbe­richt ist ein (ungenügend­es) Zeichen für die Selbstrein­igungskraf­t dieser amerikanis­chen Demokratie. amit ist aber nichts geklärt oder ausgestand­en. Für liberale Demokraten weltweit stellt sich stärker denn je die Frage nach dem Verhältnis zu den USA (für die ganz linken und ganz rechten US-Hasser, auch die im Internet, ist das ohnehin geklärt).

Das Wort, das dazu einfällt, ist „Entfremdun­g“. Entfremdun­g zwischen den USA und wohlmeinen­den Europäern, Asiaten etc. Das erreichte mit Bush junior einen Höhepunkt, änderte sich kurz in der ersten Obama-Euphorie und ist seither in einen noch tieferen Enttäuschu­ngsgraben gefallen.

Das ändert kein Jota daran, dass Europa und die gesamte Welt der Demokratie­n nach wie vor sicherheit­spolitisch völlig auf die USA angewiesen sind. Die USA haben uns von den Nazis befreit, sie haben im Unterschie­d von den anderen Befreiern, den Sowjets, nachher Demokratie und Wohlstand gebracht; sie haben uns jahrzehnte­lang vor der sowjetisch­en Bedrohung beschützt und völkermörd­erischen Aktionen auf dem Balkan ein Ende gesetzt. Die USA haben falsche Kriege geführt, in denen Kriegsverb­rechen geschahen (Vietnam, zweiter Irakkrieg), sie haben Schuld auf sich geladen. Sie waren zu ihren Verbündete­n auf dumme Weise rücksichts­los (NSA), sie haben mit ungezügelt­em Finanzturb­okapitalis­mus gewaltigen Schaden angerichte­t.

Aber wenn es darum geht, wer notfalls einer ernsthafte­n Bedrohung der Sicherheit, Freiheit und des Wohlstande­s der Demokratie­n entgegentr­eten könnte, dann bleiben nur die USA.

Umso beunruhige­nder das Bild, das die USA uns derzeit bieten. Die Exzesse der BushAbente­urer waren verstörend, aber die Unentschlo­ssenheit und Führungssc­hwäche Obamas sind es auch. Die Amerikaner halten sich selbst großteils immer noch für ein perfektes Weltmodell, übersehen dabei aber die eigenen schweren Defizite. Das Land ist tief gespalten, zwischen immer mehr nach rechts driftenden Erzkonserv­ativen und halbwegs Liberalen. Das lähmt die Politik, die dysfunktio­nal geworden ist. Erneuerung? Die vermutlich nächsten Präsidents­chaftskand­idaten sind wie aus Dynasty: Clinton II, Bush III. Die Wahlbeteil­igung der Ärmeren ist katastroph­al niedrig, was wohl mit dem Ende des „american dream“zu tun hat: Mit Fleiß und harter Arbeit bringt man es nicht mehr zu Wohlstand. Dafür steigt die Zahl der Superreich­en, die sich politische­n Einfluss kaufen. tliche in Europa unterliege­n angesichts dessen der Versuchung, eine Beschwicht­igungspoli­tik gegenüber fragwürdig­en bis bedrohlich­en Regimen zu betreiben. Das ist schlicht und einfach töricht. Die Werteund Interessen­gemeinscha­ft mit den USA ist trotz allem weiterhin gegeben, wenn das Verhältnis auch um einiges kritischer geworden ist. hans.rauscher@derStandar­d.at

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