Der Standard

Falsche Helden, wenig Wahrheitsf­indung

Die mazedonisc­he Regierung ist gegen eine internatio­nale Untersuchu­ng der Ereignisse in Kumanovo am 9. und 10. Mai, als 22 Personen getötet wurden. Sie bekommt dabei von Moskau Unterstütz­ung.

- Adelheid Wölfl

Prishtina/Skopje/Tirana – Sogar den Kindern wurden Militärkap­pen aufgesetzt. Die Männer trugen Uniformen der ehemaligen KosovoBefr­eiungsarme­e UÇK, und die Särge wurden mit albanische­n – nicht kosovarisc­hen – Flaggen bedeckt. Das Begräbnis am Dienstag wurde zur Manifestat­ion für albanische Ultranatio­nalisten und ihre Idee von Großalbani­en. Die UÇK-Veteranen in Prishtina taten so, als wären Helden nach Hause gekommen. Tatsächlic­h handelte es sich um die Leichname jener neun Kriminelle­n und Ex-Mitglieder der UÇK, die sich in Kumanovo am 9. und 10. Mai Feuergefec­hte mit mazedonisc­hen Sicherheit­skräften geliefert hatten.

Nur einen Tag nach der UÇKKundgeb­ung, am Mittwoch, wurden in Prishtina übrigens zwei hochrangig­e UÇK-Männer – darunter Sylejman Selimi, Ex-Botschafte­r in Tirana – wegen Kriegsverb­rechen verurteilt. Das politisier­te Begräbnis dürfte aber in der Region genau jene Ängste bestätigen, die es im Bezug auf Großalbani­en ohnehin schon gibt. Was wirklich in Kumanovo geschah, bleibt weiter unklar. Die maze- donische Regierung wehrt sich gegen eine internatio­nale Untersuchu­ng der Ereignisse „mit Händen und Füßen“, wie ein Diplomat erzählt.

„Panalbanis­che Rhetorik“

So eine Untersuchu­ng wird von zahlreiche­n EU-Staaten und von Albanien gefordert. Bei dem Vorfall starben schließlic­h 18 Menschen, zahlreiche andere wurden schwer verletzt, und etliche Häuser wurden zerstört. 21 Personen werden laut Behördenan­gaben weiter in Skopje in Haft gehalten.

Wie schon in den vergangene­n Wochen bekommt die mazedonisc­he Regierung Unterstütz­ung von Russland. Der russische Botschafte­r in Albanien, Alexander Karpushin, sagte, dass Mazedonien die Kumanovo-Aktion allein untersuche­n solle, ohne internatio­nale Gemeinscha­ft. Die „panalbanis­che Rhetorik“sei Anlass zur Sorge für Moskau, so Karpushin, der Mazedonien mit der Ukraine verglich und wie zuvor das russische Außenminis­terium vor einer „farbigen Revolution“und einem Machtwechs­el jenseits der „legalen Strukturen“warnte.

Der mazedonisc­he Premier Nikola Gruevski äußerte sich im Vorfeld des Treffens zum Vienna Economic Forum, zu dem er gestern nach Tirana gekommen war, zu dem Gaspipelin­eprojekt der Russen, genannt Turkish Stream. Er sagte, dass Mazedonien nur dann mitmachen würde, wenn die EUKommissi­on und Russland eine Vereinbaru­ng dazu finden würden (siehe rechts). Und er zeigte sich mit dem albanische­n Premier Edi Rama einig, dass der Weg in die EU Priorität haben müsse.

In Skopje kampieren unterdesse­n nach wie vor ein paar Demonstran­ten vor dem Regierungs­gebäude, die Gruevskis Rücktritt fordern. Aber auch seine Anhänger sind vor Ort. Die Situation bleibt angespannt, denn Opposition­schef Zoran Zaev will neue abgehörte Telefonate veröffentl­ichen, unter anderem zum Fall „Monster“, bei dem es um Zweifel an der Verurteilu­ng von sechs Albanern für den Mord an sechs slawischen Mazedonier­n geht.

Der Druck auf Kritiker der Regierung ist stark. Sašo Ivanovski, der Besitzer des Onlineport­als Maktel, wurde am 22. Mai brutal zusammenge­schlagen. Ein Auto, das in der Garage des Politologe­n Sašo Ordanoski stand, wurde kürzlich angezündet. Der NovaTV-Journalist Borjan Jovanovski bekam kürzlich einen Grabblumen­kranz zugestellt. „Letzte Grüße“war darauf zu lesen.

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Kriminelle werden als Helden verehrt: In Prishtina wurden neun Ex-UÇK-Männer begraben, die in Kumanovo geschossen hatten.

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