„Folterwerkzeuge dürfen in EU noch beworben werden“
Amnesty-Experte Marek Marczynski über Folter in Europa und darüber, wie ein bestehendes EUVerbot für den Handel mit Folterwerkzeugen von europäischen Firmen umgangen wird.
STANDARD: Wenn man von Folter spricht, dann ist das etwas sehr Mittelalterliches. Wie gängig sind solche Praktiken noch? Marczynski: Klar ist, dass Folter unter internationalem Recht streng verboten ist. Das gilt für alle Staaten. Da gibt es einen hohen gesetzlichen Standard. Realität ist aber, dass laut unserem Bericht aus dem vergangenen Jahr 82 Prozent der Länder weltweit in irgendeiner Weise und zu einem gewissen Grad foltern. STANDARD: Also auch in der Europäischen Union? Marczynski: Auch in der EU, ja. Natürlich muss man dabei zwischen den Ländern unterscheiden, in denen es täglich zu Folter kommt, und denen, wo es etwa ein Dutzend Fälle im Jahr gibt. Im Endeffekt macht es aber keinen Unterschied. Folter ist verboten.
STANDARD: Die Europäische Kommission hat eine Regulierung erlassen, wonach der Handel mit be- stimmten Folterwerkzeugen verboten ist. Am Donnerstag hat sich das Europäische Parlament beraten, um diese Bestimmung zu verschärfen. Gibt es noch Schlupflöcher? Marczynski: Zuerst muss man anerkennen, dass die EU große Anstrengungen unternimmt, um bei dem Thema Druck zu machen. Aber es gibt immer Verbesserungsmöglichkeiten. Zum Beispiel ist es unter der aktuellen Regulierung erlaubt, dass für verbotene Folterwerkzeuge in Europa Werbung gemacht wird. Unvorstellbar, dass man etwa Kokain oder Marihuana im Internet oder auf Messen bewirbt. Da hätte man sofort die Polizei am Hals. Bei Folterinstrumenten ist das möglich. Konkret haben wir herausgefunden, dass das in Frankreich, Deutschland und Großbritannien auf Messen der Fall war. Dabei waren auch tschechische und deutsche Firmen involviert.
STANDARD: Welche Strategien wenden Firmen an, um die EU-Regulierung zu umgehen? Marczynski: Zwar ist es verboten, dass die verbotenen Folterwerkzeuge europäischen Boden berühren, doch können Firmen ein Subunternehmen in einem Land außerhalb der EU gründen. Das ist immer noch legal.
MAREK MARCZYNSKI ist der Leiter des Bereiches „Militär, Sicherheit und Polizei“des Internationalen Sekretariats von Amnesty International in London. Er ist Anwalt und hat sich unter anderem auf Menschenrechte spezialisiert.