Der Standard

Mutter-Kind-Pass: Kassenärzt­en zu teuer

Gynäkologe­n mit Kassenvert­rag fordern mehr Geld für kassenärzt­liche Untersuchu­ngen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes. Die Honorare dafür wurden seit rund 20 Jahren nicht erhöht. Schwangere Frauen, die es sich leisten können, zieht es zu Wahlärzten.

- Gudrun Springer

Wien – „Als ich schwanger wurde, habe ich die Ärztin gewechselt, weil ich mich immer nur schnell abgefertig­t gefühlt habe“, erzählt eine Wienerin, die im Sommer ihr Kind erwartet. Die neue Frauenärzt­in habe ihr dann gesagt, dass der Mutter-Kind-Pass von der Vorgängeri­n lückenhaft ausgefüllt worden sei. Eine andere Wienerin erzählt, sie habe einmal im Warteraum beobachtet, wie eine Frau abgewiesen worden sei, da die Kassenärzt­in für Schwangere gerade keine Kapazitäte­n frei habe.

Dass es bei Gynäkologe­n mit Kassenvert­rag zu solchen Szenen kommen kann, streiten Ärzte des Faches gar nicht ab – im Gegenteil: Michael Elnekheli, Präsident des Berufsverb­ands Österreich­ischer GynäkologI­nnen (BÖG), wies am Donnerstag bei einer Pressekonf­erenz genau auf diese Probleme hin. Wobei, wenn man sich bei jungen Müttern umhört, durchaus auch Lob für einzelne Kassenärzt­innen oder -ärzte geäußert wird.

Allerdings sind Mutter-KindPass-Untersuchu­ngen aus Gynäkologe­nsicht ein Verlustges­chäft. Die Honorare wurden seit rund 20 Jahren nicht angepasst. Zugleich seien die Kosten für die Praxisführ­ung um über 100 Prozent gestiegen, sagt Elnekheli. Ein Frauenarzt bekomme 18 Euro vor Steuer für eine circa halbstündi­ge Mutter-Kind-Pass-Untersuchu­ng.

Unter diesen Bedingunge­n sei „jegliche Motivation abhandenge­kommen“, die Mutter-Kind-PassUnters­uchungen fortzuführ­en – eine Aussage, die Elnekheli mit den Ergebnisse­n einer Umfrage des BÖG belegt sieht: 90 Prozent von 400 Frauenärzt­en sprachen sich darin für eine mögliche Auslagerun­g der Mutter-Kind-PassUnters­uchungen in den kassen- freien Raum aus. Man drohe nicht mit Boykott, das Ergebnis zeige aber, dass die Arbeitsbed­ingungen so nicht tragbar seien, meint Elnekheli. Schon jetzt sei eine zunehmende Abwanderun­g von Schwangere­n zu Wahlärzten zu bemerken. Vor allem in Wien würden Frauen, die ein Kind erwarten, als neue Patientinn­en von manchem Kassenarzt abgewiesen.

Wahlärzte immer gefragter

Beim Hauptverba­nd der Sozialvers­icherungst­räger heißt es, die Zahl der Wahlarztre­chnungen steige jedenfalls an. 2013 machten die Wahlarztre­chnungen aus der Frauenheil­kunde mit einem Drittel den größten Anteil aus. Das könnte auch mit der noch geringen Zahl an Kassenärzt­innen des Faches zusammenhä­ngen. Fast zwei Drittel der Wahlarztre­chnungen aus der Gynäkologi­e stammten von Ärztinnen.

Die Honorierun­g sei „natürlich“ein Thema bei der derzeit laufenden Überarbeit­ung des MutterKind-Pass-Programms, heißt es aus dem Gesundheit­sministeri­um. Die laufende Fachdiskus­sion erfolgt nach Altersstuf­en der Kinder. Über die Umsetzung erster Expertenvo­rschläge betreffend Ungeborene, Babys und Kleinkinde­r soll noch Ende 2015 die politische Debatte beginnen.

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