Platini droht unbelehrbarem Blatter
Er regiert ein korruptes Reich. Doch Joseph Blatter könnte noch einmal auf dem Chefsessel des Weltfußballverbands bleiben. Michel Platinis Rücktrittsforderungen und Drohungen prallen vorerst am Schweizer ab.
Das Schmierenstück um Fifa-Präsident Sepp Blatter nähert sich seinem Höhepunkt. Heute Nachmittag stellt sich der Boss auf dem Zürcher Kongress des Weltfußballverbandes der Wiederwahl. Der 79-jährige Schweizer hat gute Chancen, zum fünften Mal hintereinander zum mächtigsten Mann des populärsten Sports der Welt gekürt zu werden – trotz eines Sumpfes aus Korruption, trotz der Razzia in der Fifa-Zentrale, trotz Festnahmen einer Reihe seiner Gefolgsleute. Und trotz zahlreicher Rücktrittsforderungen an seine Adresse – auch von europäischen Spitzenpolitikern.
Am Donnerstag drängte ebenso Michel Platini, der Präsident des europäischen Fußballverbands Uefa, Blatter zur Aufgabe. „Tritt zurück, lass es sein“, rief Platini in einem Vier-Augen-Gespräch. Der Franzose machte Blatter klar, dass die Fifa einen Neustart brauche – einen Neustart ohne Blatter, der die Fifa seit 1998 nach Gutsherrenart beherrscht. Sepp habe betroffen reagiert, sagte Platini. Doch Blatter wies die Demissionsforderung zurück. Offensichtlich fiel Platini das Gespräch mit dem Fifa-Lenker nicht leicht: Die beiden kennen sich seit Jahrzehnten. Er empfinde für Blatter noch immer „freundschaftliche“Gefühle, sagte Platini.
Noch eine Drohung
Später, nach einer Krisensitzung mit den Mitgliedsverbänden der Uefa, rief Platini zur Wahl des einzig verbliebenen Blatter-Konkurrenten auf. Der jordanische Prinz Ali bin Al Hussein brauche die Unterstützung aller 209 Mitgliedsverbände der Fifa. Eine „sehr, sehr, sehr, große Mehrheit“der 54 europäischen Verbände werde für den Prinzen votieren. Falls der Jordanier es nicht schaffen sollte, drohte Platini mit Konsequenzen: Ein Rückzug der Europäer aus Fifa-Wettbewerben und – Gremien sei möglich. Darüber würde kommende Woche in Berlin beraten werden.
Allerdings zeichnete sich am Donnerstag ab, dass sich der schwer angeschlagene Amtsinhaber sich noch auf eine Mehrheit stützen kann. Vor allem die Verbände aus Lateinamerika, Afrika und Asien sind treu ergeben.
Zunächst hatten Spekulationen die Runde gemacht, wonach die Uefa die Wahl Blatters boykottieren könnten. Oder dass die Europäer eine spätere Entscheidung fordern könnten. Die Uefa selbst hatte mit dem Statement „Uefa zeigt dieser Fifa die Rote Karte“vom Mittwoch die Spekulationen angeheizt. Darin hieß es: „Aktuell sind die Mitglieder des Uefa-Exekutivkomitees davon überzeugt, dass es zwingenden Bedarf für einen Führungswechsel in dieser Fifa gibt und dass der Fifa-Kongress verschoben werden sollte, um innerhalb der nächsten sechs Monate eine neuerliche Fifa-Präsidentschaftswahl zu organisieren.“Doch offensichtlich konnten sich die Befürworter einer harten Anti-Blatter-Linie nicht durchsetzen – oder sie ruderten zurück. Ein Boykott durch die Europäer hätte den Fifa-Kongress und die Wahl Blatters zur Farce gemacht.
Eine Justiz- und Polizeiaktion gegen die Fifa hatte die Krise um den Weltfußballverband ausgelöst. Das Schweizer Bundesamt für Justiz hatte am Mittwoch hochrangige Funktionäre festnehmen lassen, darunter zwei Fifa-Vizepräsidenten. Die Verhafteten warten jetzt auf die Auslieferung in die USA, wo sie ein Strafverfahren im Zusammenhang mit Bestechungszahlungen von mehr als 100 Millionen Dollar erwartet. Ebenfalls am Mittwoch beschlagnahmte die Schweizer Bundesanwaltschaft elektronische Daten und Dokumente in der Zürcher Fifa-Zentrale. Die Bundesanwälte ermitteln zu den undurchsichtigen Vergaben der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022. Der Verdacht: Es floss reichlich Schmiergeld.
Nach dem Doppelschlag gab sich Blatter aber weiter stur – und präsentierte sich als Mann mit dem eisernen Besen: „Derartiges Fehlverhalten hat im Fußball keinen Platz.“Die Verantwortlichen würden „aus dem Fußball entfernt“, sagte der Langzeitpräsident. Bis Donnerstagnachmittag folgte die Vorwärtsverteidigung der Fifa dem Motto: Sepp Blatter gehört nicht zu den Verhafteten, er ist nicht in mögliche Schmutzgeschäfte verwickelt.
Keine Aufgabe
Deshalb werde er seine „Mission“fortsetzen. Und enge BlatterFreunde, wie Jean-Paul Brigger, lobhudelten weiter über den Boss: Blatter könne „einstecken wie kein anderer. Aufgeben gibt es für ihn nicht.“Und: „Er geht mit Obama gleich um wie mit einem Mann auf der Straße.“
Am Donnerstag machte sich Blatter in der Öffentlichkeit zu- nächst rar. So sagte er eine lange angesetzte Rede beim Medizinerkongress der Fifa ab. Vor dem Theater 11 in Zürich aber war schon am Morgen der rote Teppich ausgerollt, in dem futuristisch anmutenden Bau wollte die Fifa ab 17 Uhr ihren 65. Kongress eröffnen.
Lange hatte Blatter eine fröhliche Show geplant, mit ihm selbst als dem strahlenden Hauptdarsteller. Wie in den guten alten Tagen, als der Boss sich auf Fußballkongressen huldvoll feiern ließ. Am Freitag bis 9.30 Uhr soll dann die „Fifa-Familie“im Zürcher Hallenstadion eintreffen, um nach Blatter-Drehbuch die Entscheidungen zu treffen: die Absegnung des Geschäftsgebarens der Fifa-Granden. Und als Höhepunkt der Tagesordnungspunkt 17: „Wahl des Präsidenten“.