Auslandsagent fördert russische Wissenschaft
Fonds von russischem Telekom-Magnaten steht auf schwarzer Liste und will Finanzierung einstellen
Zu Risiken und Nebenwirkungen befragen Sie Ihren Arzt oder Chemiker: Bei der Jagd auf „ausländische Agenten“droht nun die russische Wissenschaft von einem Querschläger getroffen zu werden. Das umstrittene Gesetz war vor drei Jahren auf Initiative von Russlands Präsident Wladimir Putin von der Duma verabschiedet worden, um Nichtregierungsorganisation (NGOs) enger an die Leine zu nehmen. Organisationen, die einen Teil ihrer Finanzierung aus dem Ausland beziehen, müssen sich als „ausländische Agenten“– ein bewusst abwertender Begriff – etikettieren und schärfer unter die Lupe nehmen lassen.
Seither haben die Ermittlungsbehörden hunderte Menschenrechtsorganisationen in Russland überprüft, 67 stehen auf der aktuellen Liste des Justizministeriums als Auslandsagenten, darunter auch Memorial oder das Petersburger Komitee der Soldatenmütter. Seit einigen Tagen steht nun auch Dmitri Simins Fonds „Dynastie“auf der schwarzen Liste.
„Prioritäre Richtungen bei der Tätigkeit des Fonds sind die Entwicklung der Grundlagenforschung und Bildung in Russland, die Schaffung von Arbeitsbedingungen für Forscher hier, die Popularisierung der Wissenschaft und Aufklärung“, heißt es in der Selbstdarstellung der 2002 gegründeten Stiftung. Sie verteilt Stipendien in den Bereichen Physik, Mathematik, Biologie, Chemie, Wirtschaft oder Computerwissenschaften, fördert Laboratorien und internationale Fachkonferenzen, aber auch Lehrerweiterbildungen. Allein 2014 unterstütz- te Dynastie die nicht gerade unter staatlichem Finanzierungsüberfluss leidende russische Wissenschaft mit umgerechnet etwa sieben Millionen Euro.
Finanzierung gestoppt
Doch damit ist nun vorläufig Schluss. Der Gründer des Fonds, Telekom-Magnat Dmitri Simin – reich geworden mit der Gründung des Mobilfunkriesen Vympelcom –, reagierte beleidigt auf das Etikett Auslandsagent: „Ich werde natürlich nicht mein eigenes Geld unter der Marke eines mir unbekannten ausländischen Staates dafür ausgeben“, sagte er. Sein Geld lagere er im Ausland, räumte er ein. Das tue der russische Staat aber auch. Die Finanzierung werde erst wiederaufgenommen, wenn Dynastie von der Liste gestrichen werde und er eine persönliche Entschuldigung erhalte, fügte er hinzu.
Trotz der Fürsprache von etwa 30 bekannten russischen Wissenschaftern deutet nichts auf ein Einlenken der Regierung hin: „Wenn Simin Geld aus dem Ausland bezieht, wird er folgerichtig auf die Liste der Auslandsagenten gesetzt“, das solle ihn aber von Investitionen in die russische Wissenschaft nicht abhalten, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.
Das Justizministerium reagierte noch rigoroser und eröffnete ein Bußgeldverfahren. Weil Simin mit der nicht öffentlich gemachten Auslandsfinanzierung gegen das NGO-Gesetz verstoßen habe, hat das Ministerium seinen Fonds verklagt. Bei einer Verurteilung droht ein Ordnungsgeld von bis zu knapp 10.000 Euro. Dass dieses Geld dann der Wissenschaft zukommt, darf bezweifelt werden.