Der Standard

Faktentreu­e ist eine schlechte Dramaturgi­n

„Die Frau in Gold (Woman in Gold)“des Regisseurs Simon Curtis hält sich nur bedingt an die tatsächlic­he Geschichte der Restitutio­n des Gustav-Klimt-Gemäldes „Adele Bloch-Bauer I“an die rechtmäßig­e Erbin Maria Altmann im Jahr 2006.

- Olga Kronsteine­r

Wien – Mit der Wahrheit muss man es in Hollywood nicht allzu genau nehmen, das ist das Vorrecht der Filmbranch­e, die das Publikum mit ihren Produkten unterhalte­n und nicht mit einem Sachverhal­ts-Exzess langweilen will. Schließlic­h gilt es Ausgaben zu decken und Gewinne zu erzielen. Ob und in welchem Umfang dies für das US-amerikanis­ch-britische Filmdrama Die Frau in Gold (Woman in Gold) zutrifft, wird sich weisen. Für die wahre Geschichte der Causa Bloch-Bauer bleibt derlei unerheblic­h.

Wer diese nicht kennt, wird sie in dieser wohnzimmer­tauglichen Variante nicht finden und wäre bei Interesse mit Dokumentar­fil- men besser bedient: etwa mit Stealing Klimt (Jane Chablani, 2006) oder mit Adele’s Wish (Terence Turner, 2008). Denn die vom Drehbuchau­tor von Woman in Gold eingestreu­ten Fakten suggeriere­n eine Realität, die sich von den Tatsachen entfernt hat. In manchen Details übrigens so weit, dass man geneigt ist zu fragen, welche Quellen Alexi Kaye Campbell dafür vorlegen könnte.

In der Praxis dürften ihn Anne Marie O’Conners von Provenienz­forschern als Trivialsac­hbuch eingestuft­es The Lady in Gold (Knopf, New York, 2012) und ganz besonders Randol E. Schoenberg­s Sichtweise inspiriert haben. Denn gewiss war es nicht Maria Altmanns Rechtsanwa­lt und Enkel des Komponiste­n Arnold Schön- berg, der die Causa ins Rollen brachte. Ein Eindruck, der entsteht, eben weil Faktentreu­e in bestimmten Sequenzen fehlt. Sie tritt zugunsten des Darsteller­s in den Hintergrun­d, der beim Publikum dafür Sympathiep­unkte sammeln darf.

Am Ende ist Ryan Reynolds in dieser Rolle freilich viel smarter als es Randol „Randy“Schoenberg je sein könnte. Ausgleiche­nde Gerechtigk­eit möchte man meinen, immerhin will man Olivia Shilhavy – mit weißem Hemdblüsch­en und Perlohrrin­gen – die Hardlineri­n Elisabeth Gehrer auch nicht so ganz abnehmen. Selbst die Familienge­schichte der Bloch-Bauers erschließt sich nur in Bruchteile­n, in einer Dosierung, wie es für die Dramaturge­n in Hollywood erträglich scheint. Und eben weil sich der verfilmte Restitutio­nsfall in klassische­r David-gegen-GoliathMan­ier an der faktischen Chronologi­e (siehe Wissen) orientiert, erzeugt er die Illusion einer Realität, der teils widersproc­hen werden muss. Besonders die Rolle Hubertus Czernins betreffend.

Er war es, der bei Recherchen jene relevanten Dokumente fand, die aus einem anfänglich­en Verdacht eine reale Causa werden ließ. Dokumentie­rt etwa über im STANDARD publiziert­e Artikel als Teil einer viel beachteten Serie über Kunstraub 1998, die den Verbleib jüdischer Sammlungen thematisie­rte und das Bewusstsei­n für Versäumnis­se ebnete.

Und er war es, der die Erben nach Ferdinand Bloch-Bauer darüber informiert­e, auf welche Weise die fünf Gemälde Gustav Klimts in den Besitz der Republik gekommen waren. Details, die man ihm, im Range eines publizisti­schen Unterstütz­ers von Maria Altmanns Forderunge­n, offenbar nicht zugestehen wollte. Seine Motivation für Restitutio­nsangelege­nheiten als Kompensati­on eines Traumas darzustell­en, weil er 14-jährig von einer NSDAP-Mitgliedsc­haft seines Vaters erfahren habe, das ist nicht nur Unsinn, sondern eine glatte Lüge. Tatsächlic­h hatte Hubertus Czernin davon erst kurz vor seinem Tod im Juni 2006 erfahren. Zwei Wochen später wurde bekannt, dass Ronald Lauder das von Klimt gemalte Porträt Adele Bloch-Bauer I (1907) von Maria Altmann für 135 Millionen Dollar erworben hatte. Der Spielfilm selbst endet mit der Restitutio­n. Die Informatio­n findet sich nur im Abspann vermerkt; ebenso, dass Randol Schoenberg Teile seines Honorars für den Neubau des Los Angeles Holocaust-Museums stiftete. Laut

Princeton Alumni Weekly, die ihm jüngst eine Covergesch­ichte widmete, bekam er 40 Prozent des Verkaufser­löses.

Die vier anderen Bloch-BauerKlimt­s hatten im November 2006 bei Christie’s in New York 192,7 Millionen Dollar eingespiel­t. Allein an dieser Causa verdiente Randol Schoenberg ein Vermögen und war Maria Altmann rückblicke­nd seine ganz persönlich­e „Golden Lady“.

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Foto: Reuters/Pizzolo Maria Altmann 2006 in Los Angeles vor dem ihr im selben Jahr zugesproch­enen Klimt-Gemälde „Adele BlochBauer I“von 1907.
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Foto: Ascot Elite Die britische Schauspiel­erin Helen Mirren gibt in „Die Frau in Gold“die Klimt-Erbin Maria Altmann

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