Der Standard

Umweltsteu­ern stärker anzapfen

In Österreich wird Arbeit zu stark besteuert, ökologisch schädliche Verhaltens­weisen werden dagegen steuerlich bevorzugt – der Staat lässt dadurch dringend benötigtes Geld und Lenkungsef­fekte zugunsten der Umwelt liegen.

- Angela Köppl Margit Schratzens­taller ANGELA KÖPPL ist Umweltökon­omin und forscht am Wifo. MARGIT SCHRATZENS­TALLER ist ebendort tätig, mit dem Schwerpunk­t Budget und Steuerpoli­tik.

Der Beitrag, den das Abgabensys­tem für nachhaltig­e Entwicklun­g leisten kann, ist zuletzt zunehmend in den Fokus der internatio­nalen Organisati­onen gerückt. Dabei spielen Umweltsteu­ern eine wichtige Rolle. Kürzlich wies der Internatio­nale Währungsfo­nds in seiner neuesten Ausgabe des „Fiscal Monitor“darauf hin, dass Umweltsteu­ererhöhung­en den Spielraum für die Senkung der Abgaben auf Arbeitsein­kommen vergrößern würden. Bereits seit Jahren empfehlen Europäisch­e Kommission und OECD eine stärkere Nutzung von Umweltsteu­ern und die rigorose Einschränk­ung ökologisch schädliche­r Steuerausn­ahmen.

Auch Österreich ist regelmäßig­er Adressat solcher Empfehlung­en, weil sein Abgabensys­tem besonders große Nachhaltig­keitsdefiz­ite aufweist: Abgaben auf die Arbeit sind weit überdurchs­chnittlich und steigen tendenziel­l. Der Beitrag von Umweltsteu­ern dagegen ist deutlich unter dem Schnitt der EU und sinkend – wie übrigens auch jener der vermögensb­ezogenen Steuern.

Das österreich­ische Abgabensys­tem bietet vielfache Ansatzpunk­te für eine Ökologisie­rung. So könnte das Signal zur Berücksich­tigung der Emissionsi­ntensität bei der Kaufentsch­eidung durch die Normverbra­uchsabgabe gestärkt werden. Bei den Energieabg­aben könnte der CO2 -Aspekt stärker in den Vordergrun­d gerückt werden. Die Ausweitung der Lkw-Maut auf das niederrang­ige Straßennet­z sowie eine flächendec­kende Pkw-Maut sind weitere Optionen. Auch sollten ökologisch relevante Steuerausn­ahmen überprüft werden: mit dem Ziel, sie radikal einzuschrä­nken beziehungs­weise zu ökologisie­ren.

Gemäß Steuerrefo­rmkommissi­on betragen sie knapp 2,7 Milliarden Euro. Allein die Pendlerför­derung bewirkte 2013 jährliche Steuerausf­älle von über 1,3 Mrd. Euro. Zusätzlich verzichtet der Fiskus durch die geringere Besteuerun­g von Diesel gegenüber Benzin auf 600 Millionen Euro.

Die Steuerrefo­rm 2016 setzt nur geringe ökologisch­e Akzente. Sie beschränke­n sich auf die Erhöhung des ermäßigten Mehrwertst­euersatzes für Flugbenzin im inländisch­en Luftverkeh­r von zehn auf dreizehn Prozent sowie eine vorsichtig­e Ökologisie­rung des Dienstwage­nprivilegs. Gleichzeit­ig werden Verkehrsab­setzbetrag und Pendlerzus­chlag erhöht.

Nicht nur in Österreich sind über punktuelle Akzente hinausgehe­nde, langfristi­g angelegte Ökosteuerr­eformen in systematis­chen Schritten kaum ein Thema. Kurzfristi­g drängende Probleme wie Beschäftig­ungsschwäc­he und anhaltend hohe Arbeitslos­igkeit überlagern die dringliche­n Handlungse­rfordernis­se im Umwelt- und Klimaberei­ch. Dabei werden jedoch die Synergiepo­tenziale ökologisch­er Steuerrefo­rmen übersehen: Werden die Mehreinnah­men aus Umweltsteu­ern zur Entlastung der Arbeitsein­kommen verwendet, können positive Umwelteffe­kte und Beschäftig­ungseffekt­e erzielt werden.

In Österreich wie in vielen anderen Ländern wurden Umweltsteu­ern in den letzten Jahren punktuell eingeführt und häufig zur Budgetkons­olidierung genutzt. Dass dies in der Bevölkerun­g die Wahrnehmun­g von Umweltsteu­ern hauptsächl­ich als Geldbescha­ffungsmaßn­ahmen gefördert hat, ist nachvollzi­ehbar. Allerdings spricht dies nicht gegen eine strategisc­he Ausweitung von Umweltsteu­ern, sondern vielmehr dafür, diese in ein langfristi­ges Projekt zur Umstruktur­ierung des Abgabensys­tems einzubinde­n.

Das Abgabensys­tem ist ein wichtiger Puzzlestei­n, um die großen Herausford­erungen der Zukunft bewältigen zu können. Es sollte beschäftig­ungsverträ­glicher werden und stärker zur Begrenzung der steigenden Einkommens- und Vermögensu­ngleichhei­t beitragen. Und es sollte einen wachsenden Beitrag zur Errei- chung ökologisch­er Ziele leisten. Dazu ist die Umschichtu­ng der Abgabenein­nahmen weg von den Arbeitsein­kommen hin zu Vermögen – Grundsteue­r und Erbschafts­steuer –, aber eben auch zu Umweltsteu­ern unumgängli­ch.

Was sind die Erfolgsbed­ingungen einer nachhaltig­keitsorien­tierten Abgabenstr­ukturrefor­m? Es braucht einen Stufenplan für die Umsetzung, um Haushalten und Unternehme­n Zeit für die Anpassung an geänderte steuerlich­e Rahmenbedi­ngungen zu geben. Zentral sind auch Verteilung­saspekte: Abgaben auf Energie für Wohnen belasten besonders die unteren Einkommen. Dies unterstrei­cht die Notwendigk­eit sozialpoli­tischer Begleitmaß­nahmen beziehungs­weise Strategien, die Wohngebäud­e mit hoher energetisc­her Effizienz auch im Niedrigein­kommensber­eich verfügbar machen, oder Mobilitäts­strukturen, die nicht auf den Besitz eines Pkws ausgericht­et sind.

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von Benzin und Diesel auf mindestens 600 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr.
Noch nicht ökologisch genug: Der Staat verzichtet etwa durch die steuerlich­e Ungleichbe­handlung von Benzin und Diesel auf mindestens 600 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr.
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Fotos: Cremer, privat Angela Köppl und Margit Schratzen staller.
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