Der Standard

Generalver­dacht

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Dass Jörg Haider diesen Triumph des dumpfesten Populismus im Gefolge seines Lebenswerk­s nicht mehr erleben kann, ist ungerecht. Sein Geist der von keinem politische­n Anstand gebremsten Demagogie lebt in Österreich weiter, und es war der schwarze Reformpart­ner, der ihm in steirische­n Wahlkampfn­öten zu neuer Blüte verholfen hat. Als wollte Hermann Schützenhö­fer der plakativen Behauptung, Strache wäre „der Einzige, der unsere Sprache spricht“, zuvorkomme­n, blies er sich zum Beschützer der kleinen Leute auf, die es vor dem Generalver­dacht der Steuerhint­erziehung, angeheizt von denen in Wien, zu schützen gelte. Er lieferte den Klingelton, der in den Prölls und Lopatkas, Niessl sofort dabei, mit dem Pawlow’schen Reflex auch den populistis­chen Speichelfl­uss in Gang setzte. Politiker der ÖVP, die an den sinistren Staatsschu­tzplänen der Innenminis­terin nicht das Geringste auszusetze­n haben, beschwören plötzlich und unbeschade­t vorheriger Vereinbaru­ngen die Gefahr einer totalen Steuerüber­wachung des einfachen Volkes. Es handelt sich dabei um denselben Verblödung­sversuch wie schon einst bei der „Sparbüchel­steuer“, deren Einführung unweigerli­ch mit dem Untergang Österreich­s verbunden wurde. Nur mit dem Unterschie­d, dass diesmal ein Finanzmini­ster der eigenen Partei desavouier­t werden musste, was aber einem notleidend­en steirische­n Wahlkämpfe­r und einem niederöste­rreichisch­en Bundespräs­identschaf­tskandidat­en sonst wo vorbeigeht, wenn es gilt, ihr erschlaffe­ndes Profil zu schärfen. Kein Budget, keine konsequent­e Einhebung der Mittel, die der Staat braucht, und schon gar nicht das Ansehen des eigenen Finanzmini­sters ist wichtiger D als das. Der mag noch so oft versichern, es werde keine willkürlic­he Kontenbesc­hau ohne begründete­n Verdacht geben und Österreich führe damit nur ein, was in höher zivilisier­ten Ländern längst die Regel ist – Provinzwah­lkampf sticht Bundespoli­tik. Da kommt die Phrase vom Generalver­dacht zupass. Schon deshalb, weil bei Millionen von Arbeitnehm­ern und Pensionist­en – vermutlich wegen Generalver­dachts – die Steuern schon immer von vornherein eingezogen werden, kann beim kleinen Rest der Bevölkerun­g von einem generellen Verdacht eben nicht die Rede sein. Erst die sachlich unbegründe­te, rein demagogisc­he Behauptung, dieser Rest müsste vor Generalver­dacht geschützt werden, setzt ihn diesem aus. Dem eigenen, bis dahin in himmlische Höhen gehobenen Finanzmini­ster auf einmal öffentlich das Misstrauen auszusprec­hen, erscheint insbesonde­re nach dem Verschleiß an Vorgängern als ein Triumph kurzfristi­ger Taktik über politische­n Verstand. Mit Lopatkas Rettungsve­rsuch, ihn als den Schwanz zu verharmlos­en, mit dem seine Spitzenbea­mten wedeln – er selber meine es ja gar nicht so –, ist seinem Ruf auch nichts Gutes getan.

Wenn sich der FPÖ-Obmann nun plakatiere­n lässt „als Einziger, der unsere Sprache spricht“, besteht immerhin die Gewissheit, dass er die Sprache der Ausländerf­eindlichke­it meint. Welche Sprache die ÖVP spricht, steht da nur unter Generalver­dacht.

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