Der Standard

Merkel offen für Camerons Wunsch nach EU-Reform

Er kam, warb und biss nicht auf Granit: Angela Merkel signalisie­rte dem britischen Premier David Cameron in Berlin, dass eine Änderung der EU-Verträge möglich sei. Auch sie hat dabei den Sozialbere­ich im Blick.

- Birgit Baumann aus Berlin

„Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, das hat Europa schon häufig bewiesen.“Dies war der Satz, mit dem die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Freitag den britischen Premier David Cameron im Berliner Kanzleramt empfing. Es war eine der wichtigste­n Stationen auf seiner Charmeoffe­nsive durch Europas Hauptstädt­e, wo der eben wiedergewä­hlte Cameron für EU-Reformen warb.

Großbritan­nien will etwa die Sozialleis­tungen für Bürger anderer EU-Staaten einschränk­en, um weniger Zuwanderer aufnehmen zu müssen. Gelingt dies nicht, so droht Cameron unverhohle­n, könnten die Briten beim geplanten Referendum für den Austritt aus der EU stimmen.

„Es gibt von Deutschlan­d aus eine klare Hoffnung, dass Großbritan­nien Mitglied der EU bleibt“, machte Merkel nach dem Gespräch mit Cameron klar. Daher wolle Berlin den Prozess, den Großbritan­nien nun durchlaufe­n werde, „konstrukti­v“begleiten.

Für Merkel ist klar: Zunächst müsse man über die Inhalte reden. Und da gibt es einen Bereich, in dem „auch Deutschlan­d Sorgen hat“, so Merkel. Zwar sei die Frei- zügigkeit in der EU ein hohes Gut – doch auch Berlin beobachte mit Sorge „Sozialmiss­brauch“innerhalb der EU. „Wir verfolgen die Rechtsspre­chung des Europäisch­en Gerichtsho­fes sehr intensiv“, erklärte Merkel und betonte, es wäre möglicherw­eise „auch im deutschen Interesse, bestimmte Änderungen vorzunehme­n.“

Zwar hat der EuGH 2014 entschiede­n, dass Deutschlan­d einer Rumänin, die in Leipzig lebt und gar keine Arbeit sucht, keine Sozialleis­tungen („Hartz IV“) bezahlen muss. Im März hatte ein einflussre­icher Gutachter am EuGH aber die Meinung vertreten, dass arbeitssuc­hende EU-Bürger in anderen EU-Ländern unter bestimmten Umständen Anspruch auf Sozialleis­tungen haben.

Zwar könne ein EU-Staat solchen Personen Leistungen ver- weigern, dies dürfe aber nicht automatisc­h geschehen, sondern es müsse jeder Einzelfall geprüft werden. Das Urteil wird erst in einigen Monaten ergehen, meistens jedoch folgen die Richter den Gutachtern.

Merkel schloss auch nicht aus, dass es nach den Gesprächen zu Änderungen der EU-Verträge kommen könnte. „Wir beginnen, über Inhalte zu sprechen. Über Vertragsän­derungen werden wir erst am Schluss sprechen.“Cameron betonte: „Es kommt auf die Substanz an.“Doch er machte auch deutlich, dass er sich mit bloßen Absichtser­klärungen nicht zufriedeng­eben wird: „Für mich ist klar, dass diese Substanz Veränderun­gen an den Verträgen verlangt.“Cameron erklärte auch: „Ich vertraue darauf, dass die EU ausreichen­d sensibel ist, wenn ein Mitgliedss­taat ein Problem hat.“

Ablehnung in Polen

Vor seinem Berlin-Besuch war Cameron am Freitag Vormittag noch in Warschau gewesen, wo er die polnische Ministerpr­äsidentin Ewa Kopacz traf. Die Gespräche dort waren schwierige­r als in Berlin, denn in Großbritan­nien arbeiten eine Million Polen. Warschau lehnt daher die britischen Forderunge­n ab.

„Vertragänd­erungen oder die Einführung diskrimini­erender Regelungen sind rote Linien für Polen“, sagte Europamini­ster Rafał Trzaskowsk­i mit Blick auf britische Wünsche, die Freizügigk­eit für EU-Bürger einzuschrä­nken. „Falls jedes Land mit Sonderwüns­chen für die EU-Politik kommt, wäre das das Ende der europäisch­en Konstrukti­on, sie würde zusammenbr­echen“, warnte er.

Merkel trifft Cameron am nächsten Wochenende beim G-7Gipfel im bayerische­n Elmau bereits schon wieder. Vom 24. bis 26. Juni wird Queen Elizabeth II nach Deutschlan­d kommen. Sie wird – auf Einladung des deutschen Bundespräs­identen Joachim Gauck – auch Berlin besuchen. Zum letzten Mal war die Queen im Jahr 2004 in Deutschlan­d zu einem Staatsbesu­ch gewesen.

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Fotos: Reuters (2), Imago, AP Auf Werbetour: Der britische Premier David Cameron busselte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Berlin. Nur einen Handschlag bekamen Polens Ministerpr­äsidentin Ewa Kopacz, Frankreich­s Staatspräs­ident François Hollande und der niederländ­ische...
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