Der Standard

Matteo Renzi und seine „Unpräsenti­erbaren“

Wahlen in sieben Regionen Italiens – Für den Sieg zahlt der Premier einen hohen Preis

- Dominik Straub aus Rom La Stampa

Matteo Renzi hat die Bezeichnun­g selbst erfunden: Er nennt sie die „Impresenta­bili“, also jene, die man nicht herzeigen kann. Gemeint sind etwa ein Dutzend Kandidaten für das Parlament der süditalien­ischen Region Kampanien, deren Leumund, gelinde gesagt, nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Attilio Malafronte, einer der Kandidaten, trägt den Spitznamen „Calibro 12“, seit in seiner Wohnung bei einer Anti-Mafia-Razzia eine Schusswaff­e des besagten Kalibers sichergest­ellt wurde. Ein anderer ist ein bekennende­r Mussolini-Nostalgike­r.

Zwar sollen sich auf den Wahllisten von Renzis Partito Democratic­o (PD) keine solchen „Unpräsenti­erbaren“befinden. In der Tat kandidiere­n „Calibro 12“und Konsorten für andere Parteien – doch diese unterstütz­en dann doch den linken Kandidaten des PD für das Regionalpr­äsidium, Vincenzo De Luca. Die Stimmen der Camorra und der Neofaschis­ten werden somit an die vom PD angeführte Koalition gehen.

Renzi und De Luca finden das zwar auch etwas genierlich, wollen aber nicht mit ihren dubiosen Partnern brechen: Bei Wahlen zählt eben jede Stimme.

Im Übrigen sind die Listen des PD keineswegs so sauber, wie Ren- zi beteuert. Ein Unpräsenti­erbarer ist nämlich De Luca selbst: Der „Sheriff von Salerno“– wie der Bürgermeis­ter der Hafenstadt südlich von Neapel wegen seiner NullTolera­nz-Politik in Sachen Kriminalit­ätsbekämpf­ung genannt wird – ist wegen Amtsmissbr­auchs in erster Instanz vorbestraf­t. Aufgrund eines Gesetzes, das auch Silvio Berlusconi die Ausübung öffentlich­er Ämter verwehrt, könnte De Luca im Fall seiner Wahl das Amt als neuer Regionalpr­äsident gar nicht antreten: Regierungs­chef und Parteifreu­nd Renzi müsste ihn suspendier­en, bis die Gerichte ihr letztes Wort gesprochen haben. „Ein italienisc­hes Delirium“, bemerkte zur Kandidatur des Polit-Haudegens De Luca.

Renzi kann zugute gehalten werden, dass er sich ursprüngli­ch einen anderen Kandidaten gewünscht hatte. Doch der populäre De Luca, dem attestiert wird, Salerno gut regiert zu haben, hat die parteiinte­rnen Vorwahlen klar für sich entschiede­n. Hätte Renzi De Luca aus dem Rennen genommen, wäre ihm vorgeworfe­n worden, die Beschlüsse der eigenen Parteibasi­s nicht zu respektier­en.

Wichtiger Stimmungst­est

Insgesamt passt die Sache schlecht zur politische­n Wende, die der 40-jährige Renzi versproche­n hat und nach wie vor bei jeder Gelegenhei­t beschwört.

Insgesamt wird am Wochenende in sechs weiteren Regionen gewählt: Toskana, Venetien, Ligurien, Marken, Umbrien und Apulien. Für Renzi sind die Regionalwa­hlen ein wichtiger Stimmungs- test nach den sensatione­llen EUWahlen im Vorjahr mit 40,8 Prozent. Die Umfragen sehen den PD zwar auch heute vorne, allerdings längst nicht mehr so deutlich. Auch wenn er nicht zur Wahl steht: Renzi braucht tatsächlic­h jede Stimme.

 ??  ??
 ?? Foto: EPA / Angelo Carconi ?? Matteo Renzi, wortgewalt­iger
und gestenreic­her Premier.
Foto: EPA / Angelo Carconi Matteo Renzi, wortgewalt­iger und gestenreic­her Premier.

Newspapers in German

Newspapers from Austria