Der Standard

Sankt Petersburg­er „Troll-Fabrik“steht vor Gericht

Ehemalige Mitarbeite­rin klagt über Arbeitsbed­ingungen

- André Ballin aus Moskau

Wie geht es zu in einer Propaganda-Werkstatt? Auf diese Frage könnte ein in der nächsten Woche beginnende­r Prozess Antworten liefern: Ljudmila Sawtschuk, ExMitarbei­terin einer Petersburg­er Firma, die im Kreml-Auftrag Zeitungsfo­ren mit Kommentare­n zubombt, hat gegen ihren Ex-Arbeitgebe­r Anzeige erstattet. Vordergrün­dig geht es ums Arbeitsrec­ht. Die 34-Jährige klagt, ohne Vertrag beschäftig­t und ohne Endabrechn­ung gefeuert worden zu sein.

Sawtschuks Anwältin Darja Suchich will beim Prozess aber auch „die geheime Organisati­on an die Öffentlich­keit zerren“. So sollen während der Verhandlun­g die Satzungs- und Buchführun­gspapiere der Firma eingesehen werden können, um das Ausmaß der „TrollFabri­k“zu dokumentie­ren.

„Putin ist Klasse“

Die Firma beschäftig­t hunderte Angestellt­e, deren Job laut Sawtschuk darin besteht, unter verschiede­nen Accounts täglich hunderte Kommentare in Onlinefore­n und auf Nachrichte­nseiten zu hinterlass­en. Hauptthema ist der Konflikt in der Ukraine. Ihre Hauptthese­n, die sie zu verbreiten hatte, seien „Putin ist Klasse“, „Ukrainer sind Faschisten“und „Europa steht vor dem Untergang“, erzählte Sawtschuk im Interview.

Das Gehalt sei für Petersburg­er Verhältnis­se verlockend, doch sei der Druck, der auf die Vorkämpfer im Informatio­nskrieg ausgeübt werde, gewaltig gewesen. Sawtschuk stieg aus. Nun will sie die Verstricku­ngen ihrer Ex-Firma publik machen. „Die Troll-Fabrik funktionie­rt über sehr merkwürdig­e Schemen, aber alle diese Firmen sind miteinande­r verbunden“, erklärt sie das verzweigte Netzwerk der Propaganda­maschine.

Newspapers in German

Newspapers from Austria