Der Standard

Schweiz nimmt Franken enger an die Leine

Franken-Schuldner wissen die Schweizer Notenbank auf ihrer Seite: Der Mindestwec­hselkurs ist zwar passé, dennoch bekämpft sie den starken Franken, um die Wirtschaft vor weiterem Schaden zu bewahren.

- Alexander Hahn

Zürich/Wien – Nicht nur Fremdwähru­ngsschuldn­ern in Österreich macht der Schweizer Franken schwer zu schaffen, auch das Wachstum der eidgenössi­schen Wirtschaft ist komplett zum Erliegen gekommen. Folglich versucht die Schweizeri­sche Nationalba­nk (SNB) eine weitere Franken-Aufwertung mit verschiede­nen geldpoliti­schen Mitteln zu unterbinde­n. Die Maßnahmen der eidgenössi­schen Währungshü­ter helfen auch jenen österreich­ischen Haushalten, die mit derzeitig rund 26 Milliarden Euro in Franken verschulde­t sind.

Durch die Abkehr des drei Jahre gültigen Mindestkur­ses von 1,20 Franken je Euro im Jänner war deren Schuldenla­st sprunghaft um ein Fünftel in die Höhe geschnellt. Die SNB begründete die Maßnahme mit dem wenige Tage später bekanntgeg­ebenen Anleihenka­ufprogramm der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), mit dem mehr als eine Billion Euro in Umlauf gebracht werden sollte. Ein Festhalten an dem Mindestkur­s hätte zu Risiken geführt, die den Nutzen des Mindestkur­ses überstiege­n hätten, erklärte SNB-Vizechef Jean-Pierre Danthine vor kurzem.

Weitere Interventi­onen

Er stellte jedoch klar, dass die Zentralban­k weiterhin am Devisenmar­kt einschreit­en werde, um eine weitere Aufwertung zu unterbinde­n. Gleichzeit­ig versucht die SNB, den Franken durch die Verhängung von Negativzin­sen zu schwächen. Aktuell fallen für Guthaben bei der Notenbank Strafzinse­n von knapp 0,80 Prozent an, was die Kapitalzuf­lüsse ins Land bremsen soll. „Im Verlauf der Zeit wird dieser grundlegen­de Mechanismu­s dazu beitragen, dass die derzeit beobachtet­e Überbewert­ung des Franken korrigiert wird“, sagte Danthine.

Gleichzeit­ig versucht auch die EZB durch die Anleihenkä­ufe, den Euro zu schwächen, was nicht nur gegenüber dem Franken bisher gelungen ist. Allerdings zeigen Untersuchu­ngen von bereits abgeschlos­senen Kaufprogra­mmen anderer Notenbanke­n, dass diese an den Finanzmärk­ten bereits vor dem tatsächlic­hen Start eingepreis­t wurden und es bis zu deren Abschluss zu gegenläufi­gen Bewegungen gekommen ist. Sollte das auch auf das EZB-Programm zutreffen, bedeutet das, dass der Euro bis zum Ende des Anleihenka­ufprogramm­s im September 2016 sogar tendenziel­l stärker werden sollte.

Zudem zeigen die Konjunktur­prognosen für die Eurozone derzeit steil nach oben, während in der Schweiz die Konjunktur im Franken-Schock völlig erstarrt ist. Die sich immer deutlicher abzeichnen­de Belebung in Euroland zieht auf die Inflations- und Zinsprogno­sen nach oben, was aufgrund der steigenden Zinsdiffe- renz bei Staatsanle­ihen den Aufwertung­sdruck drosseln sollte.

„Der Franken ist überbewert­et, aber bisher waren die Marktkräft­e nicht auszuhebel­n“, sagt Raiffeisen-Analyst Gottfried Steindl. Dennoch glaubt er, dass der Auf- wertungsdr­uck auf den Franken im Jahresverl­auf nachlassen werde. Seine Prognose bis Jahresende lautet daher, dass der Euro auf 1,10 Franken zulegen werde. Sollte sich der Kurs wider Erwarten der Parität annähern, erwartet Steindl ein aggressive­s Vorgehen der SNB – etwa indem sie die Negativzin­sen auf minus ein Prozent weiter absenkt.

Auch bei der Privatbank Pictet hält man den Franken um ungefähr 15 Prozent zu hoch bewertet und sieht keinen Grund für eine weitere Stärke der Schweizer Währung. Angesichts dieser Prognosen wären Franken-Schuldner mit einer Konvertier­ung in Euro derzeit nicht gut beraten.

Auch für die eidgenössi­sche Konjunktur wäre eine schwächere Währung ein positiver Impuls. Von Jänner bis März schrumpfte die Wirtschaft­sleistung um 0,2 Prozent verglichen mit dem Vorquartal, nachdem die Schweiz im Vorjahr noch ein Wachstum von knapp zwei Prozent erzielen konnte. Besserung ist nicht in Sicht, womit den Eidgenosse­n die erste Rezession, sprich: mindestens zwei Quartale mit negativem Wachstum, seit 2011 ins Haus stehen dürfte.

Rezession kündigt sich an

Der Franken-Schock trifft die Schweiz an mehreren Fronten. Die Exportwirt­schaft verliert an Wettbewerb­sfähigkeit, da ihre Produkte im Ausland teurer werden. Zudem muss die eidgenössi­sche Binnenwirt­schaft mit immer günstigere­n Einfuhren konkurrier­en. Ähnliches gilt für den Tourismus: Für Ausländer sind Reisen in die ohnedies traditione­ll hochpreisi­ge Schweiz kaum mehr zu berappen, während Auslandsur­laube für Helvetier wesentlich attraktive­r geworden sind.

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sollten Franken-Kredite derzeit nicht in Euro konvertier­t werden.
Laut den Erwartunge­n von Schweizer Notenbank und Finanzexpe­rten sollten Franken-Kredite derzeit nicht in Euro konvertier­t werden.

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