Building Bridges zwischen den Parallelwelten
Jenen Punkt of no return, an dem die Flexibilität mit der Überforderung tanzen geht, erkennt man beispielsweise daran, dass man es endlich schafft, zwei Termine an einem Abend einzutragen, ohne es zu merken.
So kam es, dass ich in Begleitung einer aufgeregten Tochter einerseits zeitgerecht am SongContest-Finale erscheinen sollte, andererseits bei Urbo Kune im Konzerthaus zu lesen hatte. Nachdem der erste Angstschweiß dieser Erkenntnis abgewischt war, blieb nur noch eiskalte Planung. Stadthalle, Konzerthaus, Stadthalle retour.
Die Tochter ließ bereits beim Eingang gewisses Eskalationspotenzial erkennen. War aber gerade noch davon abzuhalten, Larissa Marolt, deren Lebenslauf sie unter Zuhilfenahme diverser Schundheftln aufmerksam studiert hatte, mit „Du liegst bei uns auf dem Klo“zu begrüßen. Die virtuos gestaltete Bühne, die Lichttechnik und der volle Saal hatten beabsichtigte Bombastik samt Wirkung, das Röhren des Publikums erreichte Fußballstadionpegel.
Kaum war Conchita im violetten Bling-Bling per Schnürl an der Decke eingeflogen, kaum hatte der Sängerknaben- und der Flüchtlingskinderchor mit einer Qualität, die einige Beiträge locker an die Wand spielte, losgelegt, musste ich mich erheben, durch eine Reihe genervter Menschen durchwühlen und ins Taxi werfen.
Im Wiener Konzerthaus betrat ich eine Parallelwelt: Manche Besucher waren bereits seit Mittag Teil der temporären Europahauptstadt, errichtet aus Musik, die ihre Tore für einen Tag und eine Stunde offen hielt. Die urbanistische Oper mit Vorträgen, Matratzenlager und traubenspeisenden Schachspielern im großen Saal, konzentrierte Stille im Publikum: Diese beiden Orte hätten nicht unterschiedlicher sein können.
Und doch stellte beides Versuche einer europäischen Nabelschau mit Selbstfindungselement auf unterschiedlichen Ebenen dar. Gut, dass das Faktum des Brückenbauens innerhalb und das Schließen der Festungstore nach außen als Thema in Urbo Kune Raum nehmen durfte.