„Schönborn lässt uns freie Hand“
Radio Stephansdom wird am Montag zu Radio Klassik Stephansdom. Warum der Sender neu positioniert wird und der Kardinal ein angenehmer Chef ist, erklären die Geschäftsführer Carl Rauch und Christoph Wellner.
INTERVIEW:
Standard: Der Stephansdom verschwindet aus dem Fokus. Eine Emanzipation von der Kirche? Wellner: Im Auftritt, klar. Wir haben rausgefunden, dass das Wort Stephansdom nicht mit einem Klassiksender assoziiert wird, sind aber dennoch weiterhin das Radio der Erzdiözese Wien. 300.000 Leute aus Wien und Umgebung hören gerne Klassik, kennen uns aber nicht.
Standard: Sie wollen bis 2018 wirtschaftlich unabhängig sein. Wie? Rauch: Derzeit leben wir maßgeblich von der Unterstützung der Erzdiözese Wien. Sie trägt zwei Drittel der Finanzierung des Radios. Das soll auf ein Drittel der Kosten gesenkt werden.
Standard: Nur mit Werbung? Rauch: Wir haben ja jetzt schon Werbung, der Anteil soll aber in den nächsten Jahren steigen. Die Reli- gionskomponente im Programm wird künftig in das Medienhaus der Erzdiözese Wien verlagert, und das Radio muss als Radio Klassik wirtschaftlich stabil werden.
Standard: Springen Sie auf den gesellschaftlichen Trend auf, der Kirche den Rücken zu kehren? Wellner: Nein, überhaupt nicht. Wir wollen nur den Klassikteil präsenter machen. Das religiöse Programm bleibt, verändert sich aber. Lösen wollen wir uns von Berichtspflicht über Gottesdienste, nur weil wir Geld von der Erzdiözese bekommen. Der gesellschaftlich relevante Aspekt der Kirche gehört ins Programm.
Standard: Spots dürfen nicht gegen christliche Werte verstoßen. Was lehnen Sie zum Beispiel ab? Wellner: Ein Telekomanbieter hatte einen Dialog zwischen Moses und Gott als Werbespot verwendet und in Bezug auf die Grundgebühr „Neun sind genug“gesagt und damit die zehn Gebote gemeint. Rauch: Eine strenge Grenze ziehen wir bei Parteien. Wir akzeptieren keine politische Werbung.
Standard: Auch nicht, wenn sie von der ÖVP kommt? Rauch: Nein, genau wegen solcher Fragen nicht.
Standard: Mischt sich eigentlich Ihr Chef, Kardinal Schönborn, ein? Wellner: Er lässt uns in der Arbeit mit dem Radio sehr freie Hand und mischt sich überhaupt nicht ein. Er trägt mit einer wöchentlichen Auslegung des Evangeliums ganz aktiv zum Programm bei.
Standard: Ist die neue Positionierung ein Angriff auf Ö1? Wellner: Angriff würden wir beide nicht sagen. Ö1 geht immer stärker Richtung Wort- und Informationsradio. Wir werden als Klassiksender wahrgenommen, deswegen streichen wir das heraus.
Standard: Was ändert sich? Wellner: Allegro wird um zwei Stunden verlängert und von sechs bis elf Uhr zu einem großen Mu- sik- und Informationsmagazin. Rubato ziehen wir um eine Stunde von zwölf auf elf vor. Neu ist die Porträtsendung Lebenswege freitags um 17.30 Uhr.
Standard: Sie sind nicht Teil des Radiotests. Welche Hörerzahlen kommunizieren Sie Werbekunden? Rauch: Wir machen Umfragen mit ähnlichen Fragen wie beim Radiotest. Als Ergebnis erhalten wir stabile Reichweiten und liegen in Wien bei circa 3,5 Prozent und 75.000 Hörern pro Tag.
Standard: Sie sind einer von 15 Sendern beim Digitalradio-Test. Hoffnung auf mehr Reichweite? Wellner: Wir haben die Hoffnung, dass es nach diesem Testbetrieb 2017 oder 2018 zu einem Regelbetrieb DAB+ in Österreich kommt. Für uns wäre das eine große Möglichkeit, mit relativ geringen finanziellen Mitteln ganz Österreich zu erreichen.
CARL RAUCH (32) ist seit 2013 Geschäftsführer von Radio Stephansdom. CHRISTOPH WELLNER (42) ist Geschäftsführer und Chefredakteur von Radio Stephansdom. pMehr auf derStandard.at/Etat