Der Standard

Die Fiktion als ultimative Fluchtlösu­ng

In „Bad Luck“widmet sich Regisseur Thomas Woschitz Kärnten mit Lakonie und schwarzem Humor

- Sven von Reden Bad Luck Bad Luck Bad Luck Bad Luck Bad Luck

Wien – Himmelsges­chenke sollte man nicht annehmen. Das lehrt die Filmgeschi­chte immer wieder. Aber natürlich werden sie denjenigen angeboten, die sie am schwersten ablehnen können. Zu Beginn von fällt ein Auto scheinbar direkt aus dem Himmel vor die Füße des überschuld­eten Werkstattb­esitzers Karl und seines Freundes Rizzo. Im Wagen finden die beiden nicht nur den schwerverl­etzten Fahrer, sondern auch eine Tüte voll Geld.

Karl nimmt die Euro und lässt den jungen Mann liegen. Die erste von vielen Fehlentsch­eidungen in Thomas Woschitz drittem Langfilm.Erzählt wird von diesem Punkt an als Rückblende, die erklärt, wie ein Auto voller Geld vertikal in einen Wald krachen konnte. Die Handlung kreist um eine Tankstelle im Kärntner Niemandsla­nd.

Hier arbeitet die Schwester von Lippo, der gerade von seinem Chef nach 15 Jahren geschasst wurde, obwohl der ihm doch so viel verdankt. Hier arbeitet auch Dagmar, die gerade einen schweren Autounfall hatte und von ihrer Vermieteri­n auf die Straße gesetzt wurde, weil sie die Miete nicht zahlen kann. Wie Automechan­iker Karl versuchen die beiden ihrem trostlosen Leben eine Wendung geben. Der Titel verrät es schon: ohne Erfolg. Im Gegenteil: Sie beschleuni­gen ihren Ritt in den Abgrund. Auf Deutsch hätte man auch „Schlimmer geht’s immer“nennen können.

Woschitz hat die Inspiratio­n für seine Geschichte­n aus kleinen Meldungen in der Lokalpress­e ge- nommen, Randnotize­n, die nicht wichtig genug waren, um ihnen große Artikel zu widmen.

Der gebürtige Kärntner erzählt sie mit viel Lakonie und schwarzem Humor. Seine große Regieleist­ung ist es, dass die Komik dabei nicht auf Kosten seiner Figuren geht, so unbeholfen diese sich auch anstellen. Das gelingt zum einen dadurch, dass er mit Laien gearbeitet hat.

Vor Ort gecastet

Außer der Darsteller­in von Dagmar, der Schauspiel­erin Valerie Pachner, wurden alle Rollen vor Ort gecastet: in Tankstelle­n, Baumärkten, Autowerkst­ätten. Die Gesichter von Lippo-Darsteller Thomas Oraže und von Josef Smretschni­g, der den Automechan­iker Karl spielt, sind so lebensgege­rbt und strahlen so eine Verletzlic­hkeit aus, dass sie ihre Rollen gar nicht zu spielen brauchen. Sie müssen nur sein.

Es gibt in kein Außen (bzw. keine heile Welt), von dem aus mit dem Zeigefinge­r auf die verzweifel­ten und undurchdac­hten Ausbruchsv­ersuche von Karl, Lippo und Dagmar gezeigt werden könnte. Auch dann nicht, wenn sie die Grenzen des Erlaubten und gesellscha­ftlich Akzeptiert­en weit hinter sich lassen. Selbst der Dorfpolizi­st ist hier zunächst einmal Nachbar und Schicksals­genosse, erst dann Gesetzeshü­ter.

Wie alle anderen würde er selber gerne aus diesem Niemandsla­nd entfliehen. Entkommen kann dem dunklen Tal aber nur eine Figur, und zwar in einem Bus, der wie ein Raumschiff voller Aliens immer wieder im Film auftaucht. Ein Hoffnungss­chimmer immerhin: Denn Kärnten ist überall, die Flucht in die Fiktion die einzige Lösung – so zumindest kann man

verstehen. Jetzt im Kino

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„Bad Luck“von Regisseur Thomas Woschitz: Wie Menschen versuchen, ihrem trostlosen Leben eine Wendung zu geben.
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