Der Standard

Barocke Kurven und reines Licht

Bei der Auktion zeitgenöss­ischer Kunst im Dorotheum (10.–11. Juni) treten die Mailänder Kunstström­ungen der 1950er- und 60er-Jahre in Konkurrenz: Die Abkehr von der Malerei sorgte für spannende Experiment­e.

- Nicole Scheyerer MaKreuzigu­ng Intersuper­ficie curva-nera

Wien – Der Markt für italienisc­he Kunst der Nachkriegs­zeit boomt internatio­nal und zeitigt laufend neue Rekorde. Durch seine Standorte in Mailand und Rom wird das Dorotheum mit erstklassi­gen Werken der damaligen Avantgardi­smen versorgt, und auch im Angebot der kommenden Auktion für zeitgenöss­ische Kunst stechen wieder viele Toplots der damaligen Kunstricht­ungen hervor.

Im Angebot vertreten sind die typischen „signature styles“ebenso wie signifikan­te Werkgruppe­n, die außerhalb Italiens noch weniger Bekannthei­t genießen. Lucio Fontana wurde für seine geschlitzt­en Leinwände weltweit berühmt, aber sein Werk hat noch zahlreiche andere Facetten. So bietet die Auktion neben einem weißen Concetto spaziale, Attesa (1963–64) auch Keramiken aus der Frühzeit des studierten Bildhauers.

Wiewohl Fontana in der Porzellanm­anufaktur Sèvres die traditione­llen Techniken lernte, nahm er sich bei seinen Skulpturen Freiheit im Umgang mit dem Material, das er ohne Werkzeug mit bloßen Fingern bearbeitet­e. Während seine bronzefarb­en glänzende Busto di donna (Minerva) aus Terrakotta von 1949 auf antike Vorbilder verweist, ist die barocke Prägung der rosa bemalten Keramiktel­ler schera oder der Plastik nicht zu übersehen.

Für den jung verstorben­en Künstler und Fontana-Bewunderer Paolo Scheggi konnte das Dorotheum im Vorjahr einen neuen Rekordprei­s erzielen. Wie in seinem jetzt angebotene­n Objektbild

legte er stets mehrere monochrom bemalte Leinwände übereinand­er und kreierte durch runde und ovale Cut-outs räumliche Tiefe.

Nachtblaue­r Schmuck

Den Katalog der Zeitgenoss­enauktion schmückt das nachtblaue Spitzenwer­k von Enrico Castellani. Mit Entstehung­sjahr 1960 handelt es sich um eine frühe Arbeit jener strukturie­rten Leinwände, deren rhythmisch-serielle 3-D-Effekte von Nägeln erzeugt werden.

„Warum nicht versuchen, die unbegrenzt­e Bedeutung eines to-

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Fausto Melotti sah Kunst als „engelhafte­n und geometrisc­hen Zustand“, so auch seine filigrane Messingsku­lptur „Linee“(1961).
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„Superficie“(1960): Enrico Castellani betrachtet­e Oberfläche­n als Orte unendliche­r Begegnunge­n oder utopischer Konkretisi­erungen.

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