Der Standard

Bankgeheim­nis: Bitte lasst uns unsere Kultur!

Wildgeword­ene Finanzer mit Einschauke­ule bedrohen eine liebgewonn­ene Lebensart

- Edith Kitzmantel

Österreich ist eine Kulturnati­on. Und bis vor kurzem waren wir uns doch alle – Banken, Honoratior­en, Volk und Regierung – einig, dass das Bankgeheim­nis zu unserer kulturelle­n Identität gehört. Waren wir nicht stolz darauf? Und haben wir nicht, weil wir nicht so sind, auch unsere ausländisc­hen Gäste großzügig an diesem hohen Gut teilhaben lassen?

Ist es da nicht tragisch, dass Kulturbana­usen von einem neuen internatio­nalen Zeitgeist faseln und ausländisc­he Kriminalis­ten und Steuerjäge­r zunehmend unseren Frieden stören?

Jahrelang haben wir in internatio­nalen Foren wie die Löwen gekämpft und uns abwechseln­d mit Gegenargum­enten, Versprechu­ngen und Junktimen verteidigt. Aber am Schluss war auf nieman- den mehr Verlass – nicht auf die perfide OECD, nicht auf die ferne G 20, schon gar nicht auf die rabiaten Amerikaner und am Ende nicht einmal mehr auf die stille Europäisch­e Union.

Und so schluckten wir schließlic­h die grausliche Krot, wie auch unsere großen kleinen Mitstreite­r, die Schweizer und die Luxemburge­r. So leid es uns tut, werden wir damit unsere europäisch­en und amerikanis­chen Gäste nicht mehr vor ihren Steuerjäge­rn schützen können. Aber Gott sei Dank interessie­ren sich die Internatio­nalos wenigstens vor allem für ihre eigenen Leute und haben uns wenig zu sagen, wenn es um die übrigen Kontinente oder um uns selber geht.

Daher verstehe ich nicht, warum wir Österreich­er plötzlich unsere Kultur vergessen und erlauben sollen, dass auch bei uns die Finanz ihre misstrauis­che Nase in unsere Privatange­legenheite­n steckt. Nur weil das fast alle anderen Länder tun und weil wir sonst die Steuerrefo­rm nicht finanziere­n können? Sind Nachmachen und Geldstrebe­n denn einer Kulturnati­on würdig?

Leider glaubt auch bei uns so mancher Tollpatsch, dass es darum gehe, durch eine angemessen­e Handhabung der Konteneins­chau öffentlich­es und privates Interesse unter einen Hut zu bringen. Themenverf­ehlung!

Honoratior­en mahnen

Aber wenigstens unsere Honoratior­en wissen noch, was wir uns schuldig sind, und mahnen die Beachtung von Werten und Umgangsfor­men ein.

Ja, es ist beleidigen­d, wenn der Fiskus auch uns, die vielen Ehrlichen, unter Generalver­dacht stellt und womöglich unter Schwingen der Einschauke­ule von uns mehr wissen will, als wir gerne geben. Muss sich da nicht berechtigt­er Widerstand regen? Mag schon sein, dass man auch auf Unis nicht nur auf Handschlag­qualität setzt, wenn Diplome vergeben werden, aber sind wir denn Studenten?

Erfreulich­erweise zeigt auch so mancher hartgesott­ene Vertreter von Rechtsstaa­tlichkeit und Transparen­z in dieser wichtigen Frage Herz und Gemüt. Ja, die Kleinen werden das Opfer sein! Sozialrent­nern will man nach deutschem Vorbild wildgeword­ene Finanzer auf die Fersen hetzen! Oma soll nicht mehr vererben dürfen, wem sie will! Und die Ausgaben für die Freundin sind womöglich nicht mehr Privatange­legenheit! Daher: Bitte lasst uns die Kultur!

EDITH KITZMANTEL war Generaldir­ektorin für Finanzkont­rolle bei der EUKommissi­on in Brüssel.

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