Der Standard

Brüchige Brücken

- Eric Frey

In einem sind sich David Cameron und seine europäisch­en Kollegen einig: Großbritan­nien soll in der EU bleiben. Ein „Brexit“würde die Union weltpoliti­sch, wirtschaft­lich und psychologi­sch massiv schwächen und die europäisch­e Integratio­n eher bremsen als erleichter­n.

Auch der britische Premier hat das Referendum nicht angesetzt, um sein Land in die politische Isolation zu führen, sondern um interne Kritiker zum Schweigen zu bringen. Er will eine klares Ja zur EU. Doch dafür muss er den britischen Wählern handfeste Erfolge bei der von ihm lautstark geforderte­n Reform der Union präsentier­en.

Hier eröffnet sich ein großer Interessen­konflikt zwischen Cameron und allen anderen: Tiefgreife­nde Änderungen erfordern eine Neuaushand­lung der EU-Verträge. Das ist, auch wenn die deutsche Kanzlerin Angela Merkel dies nicht ausschließ­t, im Rest der EU unerwünsch­t.

Ohne Vertragsän­derungen aber ist der Spielraum für die britische Politik eingeschrä­nkt. Weder kann der Zuzug von EU-Bürgern eingeschrä­nkt werden, noch dürfen diese grundsätzl­ich anders als die Untertanen der Queen behandelt werden. Jeder Versuch dieser Art würde unweigerli­ch vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f landen und dort zu einer Verurteilu­ng Londons führen.

Diese Kluft kann auf mehrere Weisen überbrückt werden. Cameron kann, wenn er für seinen Geschmack zu wenige Zugeständn­isse erhält, einseitige – illegale – Schritte setzen und darauf hoffen, dass diese bis zum Referendum halten. Doch das würde das schon angespannt­e Verhältnis zwischen London und dem Kontinent weiter belasten.

Er könnte ein Reformpake­t im Sinne des Vizepräsid­enten der Kommission, Frans Timmermans, aushandeln, der die EU effiziente­r gestalten soll. Der Niederländ­er teilt einige britische Sorgen wegen zu viel Regulierun­g und Bürokratie. Doch dann müsste Cameron akzeptiere­n, dass in gewissen Bereichen ein Mehr an Integratio­n notwendig ist, vor allem im Binnenmark­t. Viele dieser Reformvorh­aben sind außerdem zu technisch, um sich gegenüber dem EUfeindlic­hen britischen Boulevard gut verkaufen zu können.

Der beste Weg wäre eine Grundsatze­inigung über ein Europa der zwei Geschwindi­gkeiten, bei dem die Eurozone näher zusammenrü­ckt und Großbritan­nien zusätzlich­en Freiraum erhält, ohne an den Rand gedrückt zu werden. Das erfordert mehr diplomatis­ches Geschick, als die Briten und ihre Partner bisher an den Tag gelegt haben.

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