Der Standard

Bürger unter Generalver­dacht

Das Staatsschu­tzgesetz hebelt Grundrecht­e aus – ohne einen konkreten Verdacht

- Alexandra Föderl-Schmid Heimatschu­tz

Wenn dieses Gesetz wie vorgeschla­gen beschlosse­n wird, dann stehen die Bürger in Österreich unter Generalver­dacht. Das geplante Polizeilic­he Staatsschu­tzgesetz (PStSG), das nach den Vorstellun­gen von Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner ( ÖVP) nach der gerade beendeten Begutachtu­ngsfrist noch vor der Sommerpaus­e im Nationalra­t abgesegnet werden soll, ist ein Anschlag auf die Grundrecht­e. Österreich bekommt dann einen Geheimdien­st, der sich der Kontrolle entziehen kann – nicht nur auf Bundeseben­e, sondern auch in den neun Bundesländ­ern unter der Ägide der Landeshaup­tleute. Die Eingriffe sind so gravierend, dass sogar Richter, Staatsanwä­lte und Rechtsanwä­lte aufschreie­n.

Die Verfassung­sschützer erhalten nicht nur mehr Kompetenze­n. Die Befugnisse einer Polizeibeh­örde werden mit denen eines Nachrichte­ndienstes vermischt. Die Staatsschü­tzer können ohne konkreten Tatverdach­t und außerdem ohne richterlic­he Kontrolle agieren. Rechenscha­ft müssen die Staatsschü­tzer nur gegenüber dem Rechtsschu­tzbeauftra­gen des Innenminis­teriums ablegen. Wenn Auskünfte „die nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen gefährden“, können sie Informatio­nen verweigern.

Was genau darunter zu verstehen ist und wann Verfassung­sschützer aktiv werden dürfen, ist nur vage beschriebe­n. Laut Richterver­einigung würde dies „an die hundert Straftatbe­stände“betreffen. Das Gesetz stellt eine Bedrohung für die in der Verfassung verankerte Pressefrei­heit und das Demonstrat­ionsrecht dar. Ausgehebel­t wird damit das Prinzip eines Rechtsstaa­ts, dass für Überwachun­gsmaßnahme­n konkrete Verdachtsm­omente vorliegen und die Verhältnis­mäßigkeit des Eingriffs schriftlic­h begründet und richterlic­h genehmigt werden müssen. elbst für Richter ist „nicht nachvollzi­ehbar, auf welchen Annahmen, Studien, Erfahrungs­werten oder Ähnlichem die Definition des ,verfassung­sgefährden­den Angriffs‘ basiert“. Selbst bei vagem Verdacht können Standortda­ten von Betroffene­n ermittelt werden und wer mit wem wann kommunizie­rt hat. Das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g darf laut diesem Gesetzesen­twurf alle Daten fünf Jahre lang speichern – zehnmal länger, als dies die bisherige Regelung

Szur Vorratsdat­enspeicher­ung vorgesehen hat, die vom Europäisch­en Gerichtsho­f gekippt worden ist. Der am Mittwoch von der deutschen Bundesregi­erung beschlosse­ne Gesetzesen­twurf sieht eine Speicherun­g von IPAdressen von maximal zweieinhal­b Monaten vor – Verwendung nur beim Verdacht schwerer Straftaten.

Nach deutschem Vorbild soll nun der Einsatz von V-Männern auch in Österreich erlaubt werden. Wer wissen will, wie wenig der Einsatz von Spitzeln bringt, dem sei die Lektüre von Stefan Austs Buch empfohlen, der die Versäumnis­se des Verfassung­sschutzes rund um die NSU-Mordserie auf 864 Seiten auflistet. In Deutschlan­d ist auch das Verbotsver­fahren gegen die rechtsextr­eme NPD geplatzt, als der Einsatz von VMännern bekannt wurde.

Wenn in Österreich sogar Juristen massive Bedenken äußern und kritisiere­n, dass es keine Folgenabsc­hätzung gegeben hat, muss der Staatsbürg­er vor so einem Staatsschu­tz geschützt werden. Terrorbekä­mpfung darf kein Deckmantel dafür sein, dass Bürger ohne konkreten Verdacht und Begründung überwacht werden – das System Metternich im 21. Jahrhunder­t.

Newspapers in German

Newspapers from Austria