Nobelpreisträgers
917–1985), der auf Achill Island in Irland ein kleines Haus besaß, izismus und sein begrenztes Interesse an seiner Wahlheimat. Richard Wall war den „Brief“von Heinrich Bölls Schreibtisch auf Achill Island.
gen Grundriss noch ein Schlafund ein Arbeitsraum sowie ein helles Atelier dazugebaut.
Bis 1967 kam Böll nahezu jedes Jahr (in Dugort schrieb er 1962 einen großen Teil des Romans Ansichten eines Clowns). Das letzte Mal, 1983, zwei Jahre vor seinem Tod, hielt er sich nur noch vom 12. bis zum 23. Mai in seinem Cottage auf. 1992 wurde auf Initiative des auf Achill geborenen Dichters John F. Deane, der Witwe Annemarie Böll und des Sohnes René das Böll-Komitee gegründet, mittlerweile heißt die für die Auswahl der Stipendiaten zuständige Organisation Heinrich Böll Association.
Das Wetter wechselt hier ständig: Nach einem Regenschauer kommt zumeist die Sonne durch mit einem Licht, das die bereits chlorophyllfreie Moor- und Heidevegetation rostrot aufflammen lässt. Nach einen Sturm, der gut zwölf Stunden dauerte, konnte ich nach dessen Abklingen am Strand unten schon wieder vor dem Tosen der hereinrollenden Brecher in der Sonne sitzen.
Vom altehrwürdigen Schreibtisch aufblickend habe ich eine gestutzte, von Brombeerranken durchwirkte Hecke vor mir, dann das Tal, das sich hinunterzieht zur Bucht vor Dugort mit den Hügeln von Westmayo im Hintergrund. Saftiges Grün von Schafweideland, eingezäunt oder von Steinmauern umgeben, begleitet von Stechginstergrün und blattlosen Fuchsien, die letzten Blüten regendurchnässt: Deora Dé, die Tränen Gottes – ein Bild, das Böll vielleicht gefallen hätte, doch sein Interesse an der irischen Sprache hielt sich in Grenzen.
Nicht zu sehen von hier ist die St.-Thomas-Kirche unten im Tal, der neogotische Sakralbau der evangelischen „Mission“, wie sie noch immer genannt wird. Vor allem in Zeiten des Hungers wurden die Iren – gleich den indigenen Völkern Afrikas oder Asiens – von protestantischen Bibelgesellschaften und der Church of England missioniert: Poor dear Paddy, wenn du protestantisch wirst, bekommst du eine Suppe!
Von den Beharrlichen wurden die Bekehrten als „Soupers“bezeichnet, und wenn sie später wieder in den Schoß der katholischen Kirche zurückkehrten, nannte man sie spöttisch „Jumpers“. – Die „Mission“auf Achill war in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine regelrechte Kolonie mit Sitz in Dugort, und zwar, wenn man vom Böll-Cottage zur Bucht hinunterblickt, auf der linken Talseite (Böll erwähnte diese bis heute andauernde Spaltung mit keinem Wort). Nach einem rechtwinkligen Raster und genauen Plänen wurden Wohnhäuser errichtet, eine Schule, ein Waisen- und ein Gästehaus.
Einstiger Arbeitsplatz
In den ersten Jahren nach der Umwidmung des Cottage in eine Residence für Künstler und Schriftsteller dürfte es zu einigen unliebsamen Begegnungen zwischen den hier in Ruhe arbeiten wollenden Schriftstellern und Besuchern, die das Böll Cottage sehen wollten, gekommen sein. In Claire Keegans Erzählung The Long and Painful Death (in Walk the Blue Fields, deutsch unter dem Titel Durch die blauen Felder erschienen) kommt eine weibliche Erzählerin ins Böll Cottage; sie freut sich schon auf ungestörte 14 Tage und ihre Arbeit. Bevor sie noch mit dem Schreiben beginnen kann, erfolgt ein Anruf; ein Mann, der sich für einen Literaturprofessor aus Deutschland ausgibt, möchte das Haus besichtigen.
Sie lehnt vorerst ab, gewährt ihm jedoch, da er darauf besteht, das Cottage sehen zu wollen, einen Termin zu einem späteren Zeitpunkt. Sie bereitet Kuchen und Kaffee, doch der Gast erweist sich als unsensibel, ja beleidigend, und gar nicht an Informationen über Bölls einstigen Arbeitsplatz interessiert. Er wirkt frustriert und krank, isst fast den ganzen Kuchen auf und scheint das Haus nicht mehr verlassen zu wollen. Schließlich gelingt es ihr, ihn loszuwerden.
Endlich allein, setzt sich die Erzählerin an Bölls einstigen Schreibtisch und arbeitet den ersten Tag auf der Insel und das Erlebnis mit dem Besucher literarisch auf. Sie schreibt bis zum Morgengrauen durch, und in ihrem Ärger lässt sie den Professor am Ende der Erzählung an Krebs sterben. Nun ist eine Tafel neben dem Eingangstor angebracht: „Heinrich Böll Cottage / Das ist ein privater Ort, bitte respektieren Sie die Ruhe der Gäste und Künstler, die hier für einige Wochen leben und an ihren Werken arbeiten. / Danke.“
Richard Wall, geb. 1953, Autor von Bildern & Texten; lebt in Engerwitzdorf, OÖ, und in Streith bei Langschlag im Waldviertel, seit 1975 gelegentlich auch in Irland. Zuletzt Stipendiat der Heinrich Böll Association Achill. Ausstellungen und Textveröffentlichungen ab 1980. Schreibt Lyrik, Prosa & Essays.
Buchveröffentlichungen (Auswahl): „Wittgenstein in Irland“, Ritter, Klagenfurt 1999 (engl. Ausgabe 2000); „Am Rande“, Gedichte, Rimbaud-Verlag, Aachen 2006; „Rom. Ein Palimpsest“, Kitab-Verlag, Klagenfurt 2006; „Gehen gegen den Wind“, Gedichte, Löcker-Verlag, Wien 2011; „Kleines Gepäck, Unterwegs in einem anderen Europa“, Prosa, Kitab, Klagenfurt 2013; „In der Leere das Sitzen in der Drift der Tage“, Löcker, Wien 2014