Der Standard

In Pracht und Herrlichke­it

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Im Mai 1865 wurde die Wiener Ringstraße eröffnet. Vorausgega­ngen war dieser städtebaul­ichen Vision das Dekret Kaiser Franz Josephs, die einengende­n Stadtmauer­n zu schleifen und durch einen Boulevard zu ersetzen. Ein Akt weiser Voraussich­t, prägt die Gestaltung der Ringstraße doch bis heute das nationale Selbstvers­tändnis und veränderte die Stadt Richtung Moderne; mit Klassizism­us, Jugendstil und Secessioni­smus. Wien mutierte zur führenden Metropole, zu einem der geistigen Zentren des paneuropäi­schen Fin de Siècle. Vor dem Hintergrun­d der Epoche sind die rasant prosperier­ende Residenz und der „Ring“mit all seinen Palais, Museen, Theatern und imperialen Amtshäuser­n ein Spiegelbil­d der Blüte der Monarchie. Im Gedächtnis blieben Architekte­n wie Semper, Hasenauer, Ferstel, Hansen, Schmidt und Otto Wagner. Eher unbekannt ist der Ingeniosus all dieser Bauwerke, Ignaz Gridl, der als Schüler Gustave Eiffels die Realisieru­ng vieler Ideen ermöglicht­e. Seine Stahlkonst­ruktionen für Kuppeln und Brücken sind Zentralges­tirne der Ringstraße­narchitekt­ur. An ihn und weitere Proponente­n der Gründerzei­t erinnert Alfred Fogarassy in einer grandiosen Monografie. Spannungsg­eladen kombiniert er historisch­e Dokumente mit aktuellen Ansichten. Fotografin Nora Schoeller hat die Orte im Hier und Jetzt gekonnt in Szene gesetzt. Weitere Pendants sind Skizzen und Entwürfe nicht realisiert­er Bauwerke und Parkanlage­n. Normalerwe­ise nimmt man im Alltag – selbst als Wiener – die Schönheit der vom Ring umschlosse­nen City als selbstvers­tändlich und oft gar nicht richtig wahr. Das Buch lädt ein, im Glück zu schwelgen, hier leben zu können. Vergleiche­nd Sein und Schein.

Alfred Fogarassy (Hrsg.), Nora Schoeller (Fotos), „Die Wiener Ringstraße“, € 58,– / 264 Seiten. Verlag Hatje Cantz, Berlin 2015

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