Von teuren Übermalungen und anderen Projekten
Im aktuellen Auktionsangebot des Dorotheums stößt man auf Kunstwerke, die – teils unterhaltsam – Episoden des lokalen Marktplatzes der 1980er- und 1990er-Jahre dokumentieren.
Das gewohnte Refugium in der Hohenstaufengasse im ersten Wiener Gemeindebezirk ward der Fülle des über Monate akquirierten Angebots nicht gerecht. Also entschloss sich Wolfdietrich Hassfurther mit der rund 200 Positionen starken Entourage zur Übersiedlung ins Hotel Hilton. Im großen Ballsaal fanden dort Werke der österreichischen Nachkriegsgeneration eine temporäre Heimat, Klein- und Großformate dicht an dicht, von Rudolf Hausner, Arik Brauer, Wolfgang Hutter, Hundertwasser oder auch Arnulf Rainer.
In den Nächten vor der Auktion, erzählt Hassfurther, sei er immer wieder ausgerückt, um die sichere Verwahrung zu überprüfen. Das Wachpersonal habe er ein fürs andere Mal schlafend angetroffen. Der befürchtete Raub blieb aus, die potenzielle Beute wechselte sodann völlig rechtmäßig am 2. Dezember 1989 den Besitzer. Darunter zwei Werke Arnulf Rainers: Zentralisation (1951) hatte sich Karlheinz Essl für umgerechnet 216.000 Euro aus dem Angebot gefischt, eine Übermalung in Blau, Rot und Gelb (1955) wanderte wiederum für 32.700 Euro in die Schweiz.
Letzteres Gemälde stammte aus dem Besitz Josef Mikls, der Hassfurther auch die Episode des Erwerbs geschildert hatte. Zusammen mit vier anderen Übermalungen sei dieses Bild bei einer Künstlerhaus-Ausstellung unverkauft geblieben und habe er es dem Kollegen zum Wert des Rahmenpreises abgekauft. Die Sichtweise Arnulf Rainers war eine andere, wie sich herausstellen sollte.
Denn die Arbeit war unsigniert, und so wandte sich der Käufer mit der Bitte um diese für ihn wichti- ge Urheberangabe an den Künstler. Vier Tage nach der Auktion hielt Rainer in einem Brief fest: Diese „bemalte Fläche war ein zur Vernichtung bestimmtes Fragment, da es aus künstlerischen Gründen verworfen wurde“, eine „Signierung als mein Werk kann in diesem Zustand nicht erfolgen, ich bin jedoch zu einer Überarbeitung bereit“.
Rainer lieferte auf Farbreproduktionen aus dem Hassfurther- Katalog zwei „Vervollkommnungs“-Vorschläge, die seine Galeristin Gabriele Wimmer in Farbkopie an den Besitzer übermittelte. Er solle sich für eine der Varianten entscheiden: Der Preis für die originale Überzeichnung der Katalogseiten war mit je 33.600 Schilling (rd. 2440 Euro) veranschlagt, für die Übermalung des Originals samt Signatur wären weitere 172.000 Schilling (rd. 12.500 Euro) angefallen.
Der Schweizer Privatsammler sah von einer Überarbeitung ab. Im November 2007 gelangte die Gruppe bei Hassfurther zur Versteigerung, war jedoch unverkauft geblieben. Nun buhlt das Trio im Zuge der Auktionen zeitgenössischer Kunst im Dorotheum um die Gunst des Publikums: Das nun als Überdeckung bezeichnete Gemälde von 1955 bei der Abendauktion am 10. Juni mit einer Taxe von 40.000 bis 60.000 Euro, die Über- malungsvorschläge von 1990 anderntags für je 2500 bis 3500 Euro. Ob sich dieses Rainer-Abenteuer für den Verkäufer aufgrund der angefallenen Kosten rentiert, wird sich weisen.
In anderen Fällen dürften Einbringer dagegen von der Wertsteigerung in den vergangenen Jahrzehnten profitieren: etwa bei Markus Prachenskys mit einer Taxe von 28.000 bis 38.000 Euro ausgestattetem für das der bisherige Besitzer Anfang der 1990er-Jahre laut Künstlerwitwe etwa 8000 Euro bezahlt hatte. Wie STANDARD- Recherchen ergaben, verbirgt sich hinter der im Dorotheum-Katalog angeführten Provenienz „Sammlung Wien“die einstige Girozentrale (vormals „GiroCredit“).
Abverkauf aus Girozentrale
Von Mitte der 1980er-Jahre bis 1994 hatte man dort mit einem jährlichen Ankaufsbudget von durchschnittlich einer Million Schilling (rd. 72.700 Euro) Werke österreichischer Künstler angekauft. Ein Konzept oder inhaltliche Schwerpunkte verfolgte man dabei nicht. Die Kunstwerke dienten schlicht zur Ausstattung der Büro-, Konferenz- und Empfangsräume der Vorstandsetage. Bis zur Fusion mit der Erste Bank hatten sich so etwa 150 Arbeiten angesammelt. Ein Kontrastprogramm im Vergleich zur international ausgerichteten Sammlungstätigkeit sowohl der „Ersten österreichischen Spar-Casse“bis 1994 sowie der seit 2004 auf Zeitgenössisches aus den zentral-, ost- und südeuropäischen Ländern fokussierten Kollektion der Erste Group („Kontakt“).
Im Vorfeld der Übersiedlung in das neue Headquarter („Erste Campus“auf dem Areal des alten Südbahnhofs), erklärt Konzernsprecher Michael Mauritz im Gespräch, habe man beschlossen, sich von einigen Arbeiten aus dem einstigen Girozentrale-Fundus zu trennen. Dazu gehören auch Max Weilers vierteilige Welt des Wachstums von 1987 (160.000– 240.000 Euro) oder das in der Sektion Klassische Moderne (Dorotheum, 9. Juni) ins Rennen geschickte Temperagemälde Psalm 69 von Ernst Fuchs (35.000–50.000 Euro).