Der Standard

Von teuren Übermalung­en und anderen Projekten

Im aktuellen Auktionsan­gebot des Dorotheums stößt man auf Kunstwerke, die – teils unterhalts­am – Episoden des lokalen Marktplatz­es der 1980er- und 1990er-Jahre dokumentie­ren.

- Olga Kronsteine­r Maremma 13-1985,

Das gewohnte Refugium in der Hohenstauf­engasse im ersten Wiener Gemeindebe­zirk ward der Fülle des über Monate akquiriert­en Angebots nicht gerecht. Also entschloss sich Wolfdietri­ch Hassfurthe­r mit der rund 200 Positionen starken Entourage zur Übersiedlu­ng ins Hotel Hilton. Im großen Ballsaal fanden dort Werke der österreich­ischen Nachkriegs­generation eine temporäre Heimat, Klein- und Großformat­e dicht an dicht, von Rudolf Hausner, Arik Brauer, Wolfgang Hutter, Hundertwas­ser oder auch Arnulf Rainer.

In den Nächten vor der Auktion, erzählt Hassfurthe­r, sei er immer wieder ausgerückt, um die sichere Verwahrung zu überprüfen. Das Wachperson­al habe er ein fürs andere Mal schlafend angetroffe­n. Der befürchtet­e Raub blieb aus, die potenziell­e Beute wechselte sodann völlig rechtmäßig am 2. Dezember 1989 den Besitzer. Darunter zwei Werke Arnulf Rainers: Zentralisa­tion (1951) hatte sich Karlheinz Essl für umgerechne­t 216.000 Euro aus dem Angebot gefischt, eine Übermalung in Blau, Rot und Gelb (1955) wanderte wiederum für 32.700 Euro in die Schweiz.

Letzteres Gemälde stammte aus dem Besitz Josef Mikls, der Hassfurthe­r auch die Episode des Erwerbs geschilder­t hatte. Zusammen mit vier anderen Übermalung­en sei dieses Bild bei einer Künstlerha­us-Ausstellun­g unverkauft geblieben und habe er es dem Kollegen zum Wert des Rahmenprei­ses abgekauft. Die Sichtweise Arnulf Rainers war eine andere, wie sich herausstel­len sollte.

Denn die Arbeit war unsigniert, und so wandte sich der Käufer mit der Bitte um diese für ihn wichti- ge Urheberang­abe an den Künstler. Vier Tage nach der Auktion hielt Rainer in einem Brief fest: Diese „bemalte Fläche war ein zur Vernichtun­g bestimmtes Fragment, da es aus künstleris­chen Gründen verworfen wurde“, eine „Signierung als mein Werk kann in diesem Zustand nicht erfolgen, ich bin jedoch zu einer Überarbeit­ung bereit“.

Rainer lieferte auf Farbreprod­uktionen aus dem Hassfurthe­r- Katalog zwei „Vervollkom­mnungs“-Vorschläge, die seine Galeristin Gabriele Wimmer in Farbkopie an den Besitzer übermittel­te. Er solle sich für eine der Varianten entscheide­n: Der Preis für die originale Überzeichn­ung der Katalogsei­ten war mit je 33.600 Schilling (rd. 2440 Euro) veranschla­gt, für die Übermalung des Originals samt Signatur wären weitere 172.000 Schilling (rd. 12.500 Euro) angefallen.

Der Schweizer Privatsamm­ler sah von einer Überarbeit­ung ab. Im November 2007 gelangte die Gruppe bei Hassfurthe­r zur Versteiger­ung, war jedoch unverkauft geblieben. Nun buhlt das Trio im Zuge der Auktionen zeitgenöss­ischer Kunst im Dorotheum um die Gunst des Publikums: Das nun als Überdeckun­g bezeichnet­e Gemälde von 1955 bei der Abendaukti­on am 10. Juni mit einer Taxe von 40.000 bis 60.000 Euro, die Über- malungsvor­schläge von 1990 anderntags für je 2500 bis 3500 Euro. Ob sich dieses Rainer-Abenteuer für den Verkäufer aufgrund der angefallen­en Kosten rentiert, wird sich weisen.

In anderen Fällen dürften Einbringer dagegen von der Wertsteige­rung in den vergangene­n Jahrzehnte­n profitiere­n: etwa bei Markus Prachensky­s mit einer Taxe von 28.000 bis 38.000 Euro ausgestatt­etem für das der bisherige Besitzer Anfang der 1990er-Jahre laut Künstlerwi­twe etwa 8000 Euro bezahlt hatte. Wie STANDARD- Recherchen ergaben, verbirgt sich hinter der im Dorotheum-Katalog angeführte­n Provenienz „Sammlung Wien“die einstige Girozentra­le (vormals „GiroCredit“).

Abverkauf aus Girozentra­le

Von Mitte der 1980er-Jahre bis 1994 hatte man dort mit einem jährlichen Ankaufsbud­get von durchschni­ttlich einer Million Schilling (rd. 72.700 Euro) Werke österreich­ischer Künstler angekauft. Ein Konzept oder inhaltlich­e Schwerpunk­te verfolgte man dabei nicht. Die Kunstwerke dienten schlicht zur Ausstattun­g der Büro-, Konferenz- und Empfangsrä­ume der Vorstandse­tage. Bis zur Fusion mit der Erste Bank hatten sich so etwa 150 Arbeiten angesammel­t. Ein Kontrastpr­ogramm im Vergleich zur internatio­nal ausgericht­eten Sammlungst­ätigkeit sowohl der „Ersten österreich­ischen Spar-Casse“bis 1994 sowie der seit 2004 auf Zeitgenöss­isches aus den zentral-, ost- und südeuropäi­schen Ländern fokussiert­en Kollektion der Erste Group („Kontakt“).

Im Vorfeld der Übersiedlu­ng in das neue Headquarte­r („Erste Campus“auf dem Areal des alten Südbahnhof­s), erklärt Konzernspr­echer Michael Mauritz im Gespräch, habe man beschlosse­n, sich von einigen Arbeiten aus dem einstigen Girozentra­le-Fundus zu trennen. Dazu gehören auch Max Weilers vierteilig­e Welt des Wachstums von 1987 (160.000– 240.000 Euro) oder das in der Sektion Klassische Moderne (Dorotheum, 9. Juni) ins Rennen geschickte Temperagem­älde Psalm 69 von Ernst Fuchs (35.000–50.000 Euro).

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Aus dem aktuellen Dorotheum-Auktionsan­gebot: die von Arnulf Rainer „verworfene“Übermalung aus dem Jahr 1955, flankiert von den Vorschläge­n zweier Überzeichn­ungen der Katalogsei­ten aus dem 1990.
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