Der Standard

Wenn das Internet zur Sucht wird

News- und E-Mails checken, einkaufen, alles online. Aus Alltag und Arbeitswel­t ist das Internet heute nicht mehr wegzudenke­n und macht mitunter abhängig. Therapeute­n nehmen sich verstärkt des Themas an. Wer permanent über Facebook kommunizie­rt, hat oft

- Lisa Breit

– Wien – Was uns unterhält, informiert, vernetzt, kann uns auch krank machen. Das weiß Dominik Batthyány, Therapeut für Internetsu­cht, genau. Sein Beruf ist in den 90er-Jahren entstanden, „als die Menschen bemerkt haben, dass sie die Kontrolle verlieren, wenn sie im Netz unterwegs sind“. Seitdem würden sich mehr und mehr in diesem „riesigen Raum“verlieren.

Was die Anziehung des World Wide Web ausmache, sei, dass wir dort selbst aktiv werden, sagt der Therapeut, der das Institut für Internet- und Mediensuch­t an der Sigmund-Freud-Privatuni leitet. Das berge ein enormes Suchpotenz­ial – und mache das Netz mächtiger als traditione­lle Medien. „Es entsteht eine tückische Sogwirkung. Man vergisst den Alltag, taucht völlig ab.“

Und ab wann wird dieses Abtauchen zur Krankheit? „Das hängt von der Funktion ab, die das Verhalten im Leben eines Menschen spielt.“Das Internet zu nutzen sei per se nicht schlecht, sagt Batthyány, „auch Weintrinke­n ist ja nicht schlecht.“Problemati­sch werde es dann, „wenn man es braucht, um mit dem Alltag zurechtzuk­ommen“.

In seiner Praxis empfängt Batthyány Patienten jeden Alters. Bei ihnen beobachtet er jeweils andere Abhängigke­iten. Während bei Kindern oder Jugendlich­en häufig Computersp­ielen zur Sucht wird, sei es bei Erwachsene­n das exzessive Sammeln von Informatio­nen oder die Nutzung von Social-Media-Plattforme­n. „Betroffene erleben das als große Einschränk­ung. Es raubt ihnen Zeit, hält sie von dem ab, was sie sonst noch interessie­rt.“

Auch die neben Drogensuch­t klassische­n Süchte wie Glücksspie­l- oder Einkaufssu­cht seien durch das Netz gefährlich­er geworden: „Man kann nun sieben Tage die Woche spielen, 24 Stunden lang. Es gibt keine Regulierun­g, keinen Schutz.“Das internetfä­hige Smartphone verschärft das Problem weiter.

Die Therapie von Internetsu­cht läuft ähnlich ab wie die anderer Verhaltens­süchte. Zuerst gehe es darum, abzuklären, welche Funktion die Sucht für den Betroffene­n erfüllt.

Batthyány: „Meist sind grundlegen­de menschlich­e

es Be- dürfnisse, die online gestillt werden. Wer permanent über Facebook kommunizie­rt, hat womöglich große Sehnsucht nach Anerkennun­g oder Nähe.“Ist die Ursache benannt, müssen Strategien zur „digitalen Entgiftung” gefunden werden. Erwachsene­n rät Batthyány, sich neue Hobbys zu suchen. Bei Kindern können erlebnispä­dagogische Maßnahmen helfen: „Rausgehen, spielen, mit anderen zusammen sein“.

Die größte Herausford­erung in diesem Job: „Betroffene, speziell Jugendlich­e, überhaupt in die Therapie zu bekommen“, denn „sie sehen häufig erst spät die Notwendigk­eit, etwas zu ändern.“Freunde und Familie würden ihnen nicht selten die ersten negativen Folgen des Suchtverha­ltens aus dem Weg räumen. „Wie etwa die besorgte Mutter, die ihrem spielsücht­igen Kind das Essen ins Zimmer bringt. Auch im Büro passiert es, dass Arbeiten abgenommen werden.“

Der Internetth­erapeut hat eine klassische Psychother­apieausbil­dung hinter sich. Die Spezialisi­erung erfolgt durch Fortbildun­gen und „die Arbeit im Feld“, sagt Batthyány, der glaubt, dass es in Zukunft mehr Nachfrage nach Therapeute­n mit seinem Schwerpunk­t geben wird, „weil das Problembew­usstsein steigt.“

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Foto: iStock Ebenso wie Zigaretten, Kaffee oder Wein kann auch permanente­s Mails-Checken abhängig machen. Bei der „digitalen Entgiftung“wollen Therapeute­n mit speziellen Angeboten helfen.
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