Der Standard

Wenn Tierschutz nach hinten losgeht

Mexiko verbietet Zirkussen, Tiere zu halten, weiß jedoch nicht, wohin mit ihnen. Ab Juli tritt das Verbot in Kraft. Viele Tiergärten haben jedoch aus Mangel an Geld und Kapazitäte­n eine Aufnahme der Tiere bereits abgelehnt. Nun droht diesen die Einschläf

- Sandra Weiss aus Puebla Daily Mail

Es ist nicht so, als hätte Mexiko nicht schon genügend Probleme. Aber die Politiker des Landes haben das bemerkensw­erte Talent, neue zu schaffen. Das jüngste Drama geht auf das Konto der Grünen Partei, einer Art Familienfr­anchise und Mehrheitsb­eschafferi­n der regierende­n Partei der Institutio­nellen Revolution (PRI). Das Lieblingsm­otto der Grünen ist: „Die Grünen halten, was sie verspreche­n.“Und damit das auch auf Wahlplakat­en überzeugen­d illustrier­t wird, muss die Minipartei möglichst viele, möglichst schmissige Gesetze durchbring­en.

Voriges Jahr wurde erst eine teure Kampagne gegen den Missbrauch von Zirkustier­en in den Medien geschaltet, mit recht kruden Bildern. Prompt folgte der Volksaufsc­hrei, Tierschutz­verbände klatschten Beifall, und die Partei legte einen Gesetzentw­urf vor, der den Einsatz von Tieren bei Zirkusvera­nstaltunge­n verbietet. Und weil die anderen Kongressab­geordneten sich nicht dem Vorwurf des Nichtstuns aussetzen wollten, schritten sie zur Tat.

Zirkusnumm­ern mit Tieren hätten keinen pädagogisc­hen Wert, so das Argument. Das Gesetz tut kaum jemandem weh – außer den rund 200 Familienzi­rkussen des Landes, die als Wählerpote­nzial zu vernachläs­sigen sind. Die Abgeordnet­en und Senatoren winkten den Entwurf durch. Im Juli tritt das Verbot in Kraft, und jetzt sitzen die Zirkusse auf schätzungs­weise 2000 bis 3000 Elefanten, Löwen, Bären, Giraffen, Affen und Tigern, und wissen nicht, wohin mit den Tieren. Darüber hatte sich nämlich in der populistis­chen Eile niemand so recht Gedanken gemacht.

Stierkampf weiterhin erlaubt

Die Zirkusbetr­eiber sind empört. „Den Grünen ist Tierquäler­ei doch schnurz“, ereiferte sich der Präsident der Vereinigun­g der Schaustell­er, Armando Cedeño. „Sonst hätten sie doch auch den Stierkampf oder den Hahnenkamp­f verboten. Außerdem lassen sie uns mit dem Problem völlig allein.“Die meisten Zoos haben mangels Kapazität und Geld den Kauf und die Aufnahme der Tiere abgelehnt, und die Schaustell­er drohen nun, sie einzuschlä­fern, weil der Unterhalt sehr kostspieli­g ist und die Besucherza­hlen seit dem Verbot von Tiernummer­n drastisch gesunken sind. Allein das Futter für einen Tiger kostet wöchentlic­h rund 100 Euro. Cedeño zufolge mussten 70 Zirkusse bereits zusperren. Einer Recherche der Zeitung

zufolge gibt es aber Hoffnung – von unerwartet­er Seite. Denn Mexikos Drogenpate­n hegen eine Vorliebe für Privatzoos, und der Handel und die private Haltung exotischer Tiere sind erlaubt. Besonders gefragt sind Tiger und Löwen, die in diesen Kreisen als Männlichke­itssymbole gelten.

Mafiaboss Jesús Zambada, einer der Gründer des Sinaloa-Kartells, besaß zum Beispiel einen Privatzoo, sein Sohn hatte ein Löwenbaby als Haustier. Möglicherw­eise findet sich aber auch der eine oder andere Politiker: Jorge Hank Rhon zum Beispiel, der Exbürgerme­ister von Tijuana, liebt ebenfalls exotische Tiere und hat einen Privatzoo. Dieser brachte ihm allerdings schon Probleme, einmal geriet er wegen Schmuggels bedrohter Arten mit dem Gesetz in Konflikt, ein anderes Mal fiel einer seiner Tiger seinen Patensohn an. Cedeño zufolge gab es schon einige derartige Anfragen von Privatleut­en.

Zwei Freiluftzo­os geplant

Um das zu unterbinde­n, unterzeich­neten die Grünen jetzt Abkommen mit Tierschutz­verbänden, die die Schaffung zweier neuer Freiluftti­ergärten vorsehen. Die Zoos sollen die Tiere gratis be- kommen, den Zirkusbesi­tzern wird verboten, ihre Tiere einzuschlä­fern oder an Privatleut­e zu verkaufen. Das brachte die Zirkusse natürlich vollends in Rage und rief die linke Partei PRD auf den Plan: Sie schlug nun ein zweijährig­es Moratorium vor, alternativ­e Lösungen und eine angemessen­e Entschädig­ung der Zirkusbetr­eiber. Mexikos Drogenpate­n zeigen sich an den

exotischen Zirkustier­en interessie­rt.

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Foto: Reuters

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