Der Standard

Grünes Gaspedal für Spaniens Biobauern

Ökolandwir­te und Lebensmitt­eltechnike­r leiden unter der staatliche­n Förderknap­pheit. Dabei werden durch den Agrar-Sektor rund 2,3 Millionen Arbeitsplä­tze gesichert. Nun gibt es eine neue Förderung für biologisch­e Landwirtsc­haft.

- Jan Marot aus Granada

Als die vier Geschwiste­r Úrculo Alvarez-Ossorio im Jahr 2011 eine 25 Hektar große Orangenpla­ntage in Bétera, unweit von Valencia, erbten, war klar: Sie wollten den Familienbe­trieb auf Bio-Orangen und -Mandarinen umsattlen. Doch der Preis für Zitrusfrüc­hte war mitten in der wirtschaft­lichen Krise am Boden. Sie machten sich daher die kommunikat­ionstechni­schen Möglichkei­ten des 21. Jahrhunder­ts zunutze. Die Mehrkosten, die durch Nachhaltig­keit anfielen, gedachten sie durch direkte Vertriebsw­ege via Onlineverk­auf zu amortisier­en.

Binnen 72 Stunden nach dem Pflücken stehen die Orangenkis­ten europaweit vor der Haustüre der Kunden. Binnen 24 Stunden liefert man sogar spanienwei­t. Die Orangen sind daher frisch, und wichtiger: ohne Nachbehand­lung wie zum Beispiel die Steigerung der Farbintens­ität und das Entgrünen durch Ethylen oder das gewohnte Wachsen der Schale für den Glanzeffek­t. Allesamt Usus im Großhandel und der Massenprod­uktion, wo die Früchte auch noch unreif geerntet werden, sagt Gonzalo Úrculo.

2011 waren Start-up-Firmen abseits der Web- und Technikbra­nche in Spanien noch rar; im Agrartechn­ik-Bereich de facto inexistent. Von damals 320 Millionen Euro Investitio­nsgeldern verbuchten Agrarbetri­ebe einen Bruchteil: 8,5 Millionen Euro laut VentureWat­ch. Fördergeld­er aus Madrid waren undenkbar. Einzig EU-Mittel gab es aus dem Europäisch­en Landwirtsc­haftsfonds für die ländliche Entwicklun­g (EAFRD). Diese gewährte man den Úrculos – jedoch mit drei Jahren Wartezeit. „Es war sehr schwierig, das Projekt auf die Beine zu stellen“, sagt Gonzalo Úrculo. Aktuell zählt das Öko-Agrar-Start-up europaweit 5000 Kunden bei einem Jahresumsa­tz von 400.000 Euro.

Mehr als ein Rettungsan­ker

Mit „Orizont“existiert in Spanien nun erstmals eine sogenannte „Beschleuni­ger“-Plattform (engl. „Business Accelerato­r“) für biologisch­e Landwirtsc­haft und Lebensmitt­eltechnike­r. Eine alternativ­e Finanzieru­ngsform für „Agrarproje­kte 2.0“, die mehr als nur ein Rettungsan­ker für Biobauern ist. Diese sind auf Investitio­nen von Risikokapi­talfonds oder sogenannte­r „Business Angels“in der Gründungs- oder Expansions­phase angewiesen.

Für die Dauer von sechs Monaten werden die Gründer in Inten- sivkursen geschult und von einem Expertente­am in der Startphase, etwa in puncto Optimierun­g des Geschäftsp­lans, beraten. In der „Ciudad Agroalimen­taria“von Tudela, einem Agrartechn­ik-Cluster im Nordosten von Spanien, müssen dann die Betriebe für mindestens zwei Jahre ihren Unternehme­nssitz haben. Dort erhalten Gründer zudem kostenlos eine Einfamilie­nwohnung zur Verfügung gestellt.

Finanziell werden die landwirtsc­haftlichen Start-up-Firmen mit 110.000 Euro unterstütz­t. 80.000 Euro davon müssen zurückgeza­hlt werden. Jeweils acht Projekte werden alljährlic­h auserwählt und aus dem 1,4-Millionen-EuroBudget gefördert.

Spaniens Agrar-Lebensmitt­elsektor setzt jährlich 100 Milliarden Euro um und erhält 2,3 Millionen Arbeitsplä­tze. Von mehr als 2200 Neo-Firmen (jünger als 3,5 Jahre), die zum Stand Jänner 2015 registrier­t waren, sind aber nur drei Prozent im Agrar- und Lebensmitt­elbereich verankert.

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