Ein Gesetz, zwei Anläufe und viele Kritiker
Das Energieeffizienzgesetz ist seit Anfang 2015 in Kraft, die für die Überwachung desselben zuständige Monitoringstelle konnte ebenfalls installiert werden, wenn auch erst im zweiten Anlauf. Kritik reißt nicht ab.
INTERVIEW:
Standard: Das Energieeffizienzgesetz, das einen sparsameren Umgang mit Strom, Rohölprodukten und Gas unterstützen soll, war eine schwere Geburt. Vor fünf Monaten ist es in Kraft getreten. Ihr Eindruck? Sebastian Spaun: In der Zementindustrie haben wir mit vielem gerechnet, mit etwas jedoch nicht: dass die Energieversorger die Strafzahlungen, die bei Zielverfehlung fällig werden, an uns abwälzen würden. Das ist brutal. Christiane Brunner: Als Umweltsprecherin der Grünen begleitet mich das Gesetz schon mehr als zwei Jahre. Weil es für einen Beschluss im Parlament eine Zweidrittelmehrheit braucht, haben wir Verhandlungen mit SPÖ und ÖVP zugestimmt und im vorigen Juli das Gesetz mitbeschlossen.
Standard: Und sind Sie zufrieden? Brunner: Das Gesetz hätte durchaus ambitionierter sein können. Dennoch haben wir einiges erreicht. So wurde erstmals festgeschrieben, dass der Energieverbrauch in Österreich bis 2020 reduziert werden soll. Ich verstehe, dass es große Verunsicherung in den Unternehmen gibt. Die Monitoringstelle, die viele Details klären soll, ist erst vier Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes installiert worden – eine massive Verfehlung des Wirtschaftsministeriums. Es besteht die Gefahr, dass das Gesetz sabotiert wird. Jurrien Westerhof: Wir vom Dachverband Erneuerbare Energie Österreich haben nichts gegen Energieeffizienz – im Gegenteil. Ich glaube aber, dass es einfacher geht, zu mehr Energieeffizienz zu kommen. Das nun vorliegende Energieeffizienzgesetz ist ein bürokratisches Monster.
Standard: Wie ginge es einfacher? Westerhof: Die Steuerreform wäre eine ideale Gelegenheit gewesen, mittels Preissignalen lenkend einzugreifen. Das ist leider nicht geschehen. Jetzt haben wir zwar ein Gesetz, das aber schwer administrierbar ist. Und wie viel Energie am Ende wirklich eingespart werden kann, ist auch offen. Stephan Schwarzer: Die Intention des Gesetzes wird von so gut wie allen unterstützt. Wovor wir in der Wirtschaftskammer aber immer gewarnt haben, ist leider eingetreten: dass alles definiert und normiert werden muss, auf die einzelne Kilowattstunde genau. Ein Riesenkatalog an Administrationsregelungen ist nötig, um allen Eventualitäten Rechnung zu tragen. Und dennoch wird es nie hundertprozentig stimmen. Das trägt mit dazu bei, dass derzeit mehr die negativen als die positiven Seiten des Gesetzes gesehen werden. Sogar die Leute, die am meisten profitieren, sind unglücklich.
Standard: Wer zum Beispiel? Schwarzer: Die Energieauditoren. Im Gesetz steht, dass die Audits und Energiemanagementsysteme bis 1. Dezember fertig sein müssen. Es gibt vielleicht zehntausende Standorte, die zu erfassen sind. Anfangs gibt es einen Hype, dann reißt die Arbeit ab. Die Auditoren meinen, es wäre sinnvoller, das gleitend zu machen, statt auf einen Stichtag hinzuarbeiten. Die Politik aber glaubt immer, dass es ohne Verpflichtungen nicht geht. Ich aber glaube, der Mehrwert ist angesichts des enormen bürokratischen Aufwands gering. Thomas Eisenhuth: Ich befürchte, dass sich das erhoffte Ergebnis nicht einstellt. Das Einfachste wäre gewesen, ein klares Steuersignal zu setzen. Hätte man den Unternehmen gesagt, Energiesparmaßnahmen könnt ihr umfassend steuerlich absetzen, würde man wesentlich mehr erreichen als mit den umfangreichen Berechnungen von Maßnahmen. Das Energieeffizienzgesetz scheint eher eine Arbeitsbeschaffung für diverse Berater zu sein. Christian Schönbauer: Energieeffizienz ist unbestritten oberste Priorität auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung. Das vorliegende Gesetz ist im Parlament mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen worden. Wir müssen es nun bestmöglich umsetzen. Einiges wurde schon auf den Weg gebracht, anderes wird folgen. Etwas aber fällt schon auf: Das Lobbying für das Thema Energieeffizienz ist wesentlich geringer als für den Bereich erneuerbare Energien.
Standard: das? Schönbauer: Bei den Erneuerbaren gibt es Subventionsprogramme, Profiteure. Entsprechend haben sich Interessenvertretungen entwickelt. Bei der Energieeffizienz gibt es das in der Form nicht.
Standard: Alle sind dafür, Energie effizienter einzusetzen. Dennoch gibt es merkbare Unterschiede. Brunner: Für mich wäre eine ökologische Steuerreform die logische Konsequenz. Im Energieeffizienzgesetz haben wir dafür einen Hebel angebracht, weil es nicht nur Unternehmen in die Pflicht nimmt, sondern auch die Regierung. Sie ist angehalten, zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen politisch-strategische Maßnahmen umzusetzen. Im Übrigen stimme ich Sektionschef Schönbauer zu, was das Lobbying betrifft. Es hat eher eine Lobby gegen das Gesetz als dafür gegeben. Und zu dem, was Sie gesagt haben, Herr Schwarzer: Wohin freiwillige Vereinbarungen führen,
sieht man bei den Mehrwegquoten. dramatisch gesunken. Spaun: Zur Zementindustrie möchte ich anmerken, dass wir im internationalen Wettbewerb stehen und im Unterschied zum Durchschnitt der österreichischen Industrieunternehmen nicht drei bis vier Prozent Energiekosten an unserem Produktionsaufwand haben, sondern 30 bis 40 Prozent. Unsere Werksleiter machen seit Jahr und Tag nichts anderes, als den Energieeinsatz zu optimieren. Da lässt sich kaum mehr was rausholen. Noch etwas: Ich habe schon in der Gesetzwerdungsphase davor gewarnt, dass das Monitoring von CO -Minderungen im Vergleich zum Nachweis von Effizienzsteigerungen ein Lercherl an Komplexität ist. CO kann man messen in Kilogramm pro Jahr. Aber selbst für das CO -Monitoring haben wir hunderte Seiten Leitfaden benötigt. Die Energiediskussion ist um vieles komplexer, da genügen hunderte Seiten Leitfaden nicht. Mir schwant bürokratisch Schlimmes. Westerhof: Mir wäre fast lieber, dass viele Unternehmen Ausgleichszahlungen leisten. Damit hätte man eine Art Ökosteuer, und mit dem Geld könnte man dann etwas wirklich Sinnvolles machen. Schwarzer: Manche Versorger werden sicher zuwarten und nichts machen, zumal die Richtlinienverordnung noch immer nicht da ist. Im Endeffekt geht es um 300 Millionen bis 400 Millionen Euro, die als Kompensation für nicht getätigte Maßnahmen fällig wären.
Die
sind
Standard: Die Energiesektion im Wirtschaftsministerium war bis zur Fixierung der Monitoringstelle erste Adresse bei Unklarheiten. Schönbauer: In den vergangenen Monaten hat das Wirtschaftsministerium die erforderlichen Schritte gesetzt,
die Erfassung der Von links: Sektionschef Christian Schönbauer, Wirtschafts
ministerium, Jurrien Westerhof, Erneuerbare Energie Österreich, Sebastian Spaun, Vereinigung Österreichische Zementindustrie, Christiane Brunner, Umweltsprecherin der Grünen, Thomas Eisenhuth, Agentur für Energiehandel,
Stephan Schwarzer, Wirtschaftskammer Österreich. Energielieferanten etwa oder die Benennung qualifizierter Energiedienstleister für die Durchführung von Energiemanagementsystemen und Energieaudits. Der Effizienzkatalog wird dynamisch gestaltet, weil auch die Möglichkeiten der Energieeffizienzsteigerung 2018 sicher andere sind als 2015. Im Sinne der Rechtssicherheit erfolgen Anrechnungen von Effizienzmaßnahmen entsprechend den aktuellen Bestimmungen, Anpassungen bzw. etwaige Änderungen sind für die Zukunft wirksam.
Standard: Wie kann man aus dem Gesetz das Beste herausholen? Eisenhuth: Für mich stellt sich die Frage, wie man auf Grundlage des bestehenden Gesetzes als Unternehmen Geld verdienen kann. Denn nur so kann Schwung hineinkommen. Ich wünsche mir ein größeres Preissignal. So wie es jetzt ist, habe ich meine Zweifel, dass es funktioniert. Schwarzer: Mein Wunsch ist, dass die österreichischen Handelsplattformen zu wirken beginnen. Anbieter von Effizienzmaßnahmen und Nachfrager sollen sich dort treffen, und es soll sich in der Sekunde ein Preis einstellen. Dann wäre das System mit einem Schlag mindestens um die Hälfte billiger. Westerhof: Ich hoffe, dass der Leidensdruck durch die Bürokratie dermaßen hoch wird, dass man sich nach der Evaluierung überlegt, wie man zu einem einfacheren, effektiveren Gesetz kommt. Brunner: Das Gesetz muss umgesetzt werden, ohne Trickserei, ohne Schönrechnen. Wenn sich in der Praxis Änderungsbedarf ergibt, sind wir bereit dazu. Spaun: Ich wünsche mir, dass über weitergereichte Ausgleichszahlungen nicht die Effizientesten gebissen werden, sondern jene, die bisher nichts gemacht haben. Schönbauer: Wir haben jetzt den Sprung ins kalte Wasser getan. Alle, die das Energieeffizienzgesetz kritisieren, würden noch viel stärker Kritik üben, gäbe es das Energieeffizienzgesetz nicht.