Streit um Seegrenze am Balkan
Tirana fürchtet griechisches Veto bei EU- Gesprächen
Der Ton verschärft sich. Der albanische Premier Edi Rama forderte vergangene Woche neue Verhandlungen über die Seegrenze mit Griechenland. „Wir sind nicht bereit, das nationale Interesse im Namen guter nachbarschaftlicher Beziehungen weg zu verhandeln.“
Die Antwort aus Griechenland war besonders harsch: „Die politische Führung unseres freundlichen Nachbarlands entgleist in Worten und Taten jeden Tag mehr“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Konstantinos Koutras. „Eine Rückkehr zu Logik und Respekt für Rechtmäßigkeit und das internationale Recht ist der sicherste Weg für Albaniens europäische Perspektive.“Dies war wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass Griechenland Albanien auf dem Weg in die EU blockieren könnte, so wie es das mit Mazedonien tut.
Es geht um viel: Im Ionischen Meer soll es Ölreserven geben. Und Albanien will noch Ende des Jahres mit EU-Beitrittsverhandlungen beginnen. Der Konflikt spitzt sich schon seit geraumer Zeit zu. Vor drei Wochen warnte das albanische Außenministerium Griechenland davor, staats- rechtlich ungeklärte Zonen im Ionischen Meer zu erforschen. Als am 22. Mai die Außenminister der Region in Tirana zusammenkamen, boykottierte der Grieche Nikos Kotzias das Treffen. Tirana verlangt von Athen, die Karten für die geplanten Explorationen offen zu legen.
Formal noch im Krieg
2009 hatten die beiden Staaten ein Abkommen zu den Seegrenzen ausgehandelt, doch die Sozialisten unter Rama – damals in der Opposition – wandten sich an das Verfassungsgericht und dieses erklärte 2010 die Vereinbarung für ungültig. Athen fordert wiederum Friedhöfe im Süden Albaniens für griechische Soldaten, die 1940/1941 im Krieg gegen die Italiener fielen. Formal befinden sich Griechenland und Albanien sogar seit dieser Zeit noch im Krieg.
Ein weiterer Disput dreht sich um die albanische Volksgruppe Çamen, die 1944 aus Griechenland vertrieben wurde. Diese fordern die griechische Staatsbürgerschaft. Als jüngst der Chef der Çamen-Partei Shpëtim Idrizi zu Albaniens Vize-Parlamentssprecher gewählt wurde, monierte Athen, dass dies „der europäische Perspektive Albaniens nicht helfe“.