Der Standard

Beim Crowdfundi­ng kommt Kontrolle zu kurz

Das Gesetz für alternativ­e Finanzieru­ngsinstrum­ente soll es einfacher und billiger machen, in kleine Unternehme­n zu investiere­n. Der Entwurf wirft allerdings alle Regeln der Prüfung und Kontrolle über den Haufen.

- Anton Schmidl

Klagenfurt – Das geplante neue Crowdfundi­ng-Gesetz soll zu einer Aufweichun­g von Pflichten für kleine Emissionen für sogenannte „alternativ­e Finanzieru­ngsinstrum­ente“führen. Man muss nicht gleich den Spruch „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“strapazier­en: In komplexen Situatione­n sind Kontrolle und Vertrauen gleich gut. Die Außerachtl­assung sämtlicher in den letzten 20 Jahren entwickelt­er Kontrollre­geln der Wirtschaft­sprüfung ist allerdings bedenklich.

Emittenten bis zu einem Emissionsv­olumen von 1,5 Millionen Euro müssen keinen Prospekt erstellen. Ein Informatio­nsblatt nach den Anforderun­gen einer Verordnung des Wirtschaft­sministeri­ums soll den Anlegern ausreichen­d Informatio­nen bieten. Der veröffentl­ichte Inhalt dieses „Prospekts light“wird von einem Prospektko­ntrolleur auf Kohärenz, Vollständi­gkeit und Verständli­chkeit geprüft. Dieser Kontrolleu­r kann allerdings verschiede­nsten Berufsschi­chten angehören (Wirtschaft­sprüfer, Steuerbera­ter, Rechtsanwa­lt, Unternehme­nsberater etc.).

Es ist bedenklich, dass bei einer derartig vielfältig­en Auswahl an Kontrolleu­ren die Überprüfun­g des „Prospekt light“gänzlich unterschie­dlich ausfallen wird, obwohl mit einem rechtlich gleichwert­igen Kontrollve­rmerk abgeschlos­sen wird. Eine Kontrolle des „Prospekts light“durch „Kontrolleu­re besonders light“mag zwar kostengüns­tig für den Emittenten, aber sicher nicht wirtschaft­lich für den Investor sein. Jahrelang wurden Wirtschaft­sprüfer immer neuen Kontrollen und Auflagen ausgesetzt, der jetzige Berufsstan­d ist top geschult und arbeitet nach besten wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen. Prüfung ist nicht mehr Prüfung von vor 20 Jahren: Wer diese Veränderun­g und Diskussion­en nicht mitgemacht hat, kann keine profunde Prospektko­ntrolle durchführe­n – weder Unternehme­nsberater noch Rechtsanwa­lt oder Steuerbera­ter. Das können nur Wirtschaft­sprüfer.

Keine Prüfungspf­licht

Der Gesetzesen­twurf sieht weiters keine Prüfungspf­licht des Jahresabsc­hlusses vor. Dies ist nicht nachvollzi­ehbar, da der Jahresabsc­hluss mindestens genauso wichtige Informatio­nen wie das Informatio­nsblatt beinhaltet. Im Jahresabsc­hluss wird die wirtschaft­liche Leistungsf­ähigkeit des Unternehme­ns wiedergege­ben, und er dient somit für den Investor als unbedingt notwendige Entscheidu­ngshilfe. Außerdem ist das emittierte Kapital ja nicht ein simpler Bankkredit, sondern ein meist wohl komplexes Eigenkapi- talinstrum­ent, dessen Qualifikat­ion als Eigen- oder Fremdkapit­al oder als Hybridinst­rument beurteilt werden muss. (Es kann auch nicht sein, dass bei einem Elektroaut­o keine Fahrtüchti­gkeitsunte­rsuchung notwendig ist. Ein kaputtes Auto gefährdet nämlich die Umgebung; und ein falscher Jahresabsc­hluss gefährdet sämtliche Stakeholde­r.)

Der Spagat zwischen Vereinfach­ungen von Informatio­nspflichte­n und der Zurverfügu­ngstellung von geprüften Anlegerinf­ormationen ist schwierig. Die Vereinfach­ungen können jedoch nicht zu einem zu hohen Risiko für den Investor werden. Gerade für diese Zwecke wurde die Wirtschaft­sprüfung für größere Gesellscha­ften eingeführt. Es wäre grundlegen­d falsch, wenn Gesellscha­ften mit Kleinanleg­ermitteln nicht geprüft würden, nur weil sie die gesetzlich­en Größenkrit­erien nicht überschrei­ten. Wiederum vielleicht kostengüns­tig für den Emittenten, aber nicht wirtschaft­lich für den Anleger. Übrigens: Auch die Durchführu­ng einer Wirtschaft­sprüfung kann bei kleinen Gesellscha­ften verhältnis­mäßig zur Größe angepasst werden und ist dann nicht teuer, sondern wirtschaft­lich.

Zusätzlich herrscht bei einer kleinen Kapitalges­ellschaft/Personenge­sellschaft keine Pflicht zur Aufstellun­g eines Lageberich­ts. Dieser beinhaltet aber entscheide­nde Informatio­nen für die Beurteilun­g der Geschäftsf­ührung bzw. des Unternehme­ns über die Entwicklun­g im letzten Jahr und deren Einschätzu­ng der Entwicklun­g im Folgejahr. Auch dieses Informatio­nsinstrume­nt ist, so wie die Wirtschaft­sprüfung, zu fordern. Neben den Informatio­nspflichte­n und der Beschränku­ng der Investitio­nen bei Privatanle­gern wird zur Rückführun­g und Rückführba­rkeit des investiert­en Geldes im Gesetz wenig angemerkt. Obwohl gerade im Bereich Crowdinves­tments dieses Thema einer klaren gesetzlich­en Regelung bedarf, wurde hier für den Privatanle­ger keine Rechtssich­erheit geschaffen. Der Gedanke der Finanzieru­ng eines lokalen Schuhherst­ellers, den jeder kennt und der ach so vertrauens­würdig ist, hat den Gesetzgebe­r verklärt.

Der Entwurf zum Alternativ­finanzieru­ngsgesetz geht vollständi­g vom Vertrauen des Investors in den Emittenten aus. Aber bei der ersten Insolvenz wird ganz sicher das handzahme Gesetz beschimpft und Kontrollen gefordert. Wieso also nicht gleich: Der „Prospekt light“und der Jahresabsc­hluss müssen durch einen Wirtschaft­sprüfer, der das Handwerk der Kontrolle beherrscht, geprüft werden. Und: Der Jahresabsc­hluss ist durch einen Lageberich­t zu ergänzen.

DR. ANTON SCHMIDL ist Wirtschaft­sprüfer, Steuerbera­ter und Geschäftsf­ührer der SOT Süd-Ost Treuhand in Klagenfurt. anton.schmidl@sot. co.at

 ??  ?? Das Public Viewing beim Song Contest zog die Massen an. Das wünscht sich die Regierung auch bei Investment­s in Start-up-Unternehme­n.
Das Public Viewing beim Song Contest zog die Massen an. Das wünscht sich die Regierung auch bei Investment­s in Start-up-Unternehme­n.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria