Der Standard

Die barfüßige „Marquesa de Santa Cruz“ging in philippini­schen Staatsbesi­tz über, nachdem das Bild bei Ex-First-Lady Imelda Marcos entdeckt worden war. Die beschuhte Version hängt im Prado.

- Jan Marot aus Granada Schrecken des Krieges,

Es gibt Meisterwer­ke, die sind in ihrer und ihrer Besitzer bewegten Geschichte viel gereist. Andere nicht. Goyas Porträt der Markgräfin von Santa Cruz gehört definitiv zu den Ersteren. Das Bild war, wenn man so will, ein regelrecht­er Globetrott­er, sogar im Besitz von unzähligen Diktatoren – und das in seiner zweifachen Ausführung wohlgemerk­t. Klingt komplizier­t, ist es auch.

Francisco José de Goya y Lucientes, 1746 als Sohn eines angesehene­n Vergolders und einer verarmten Landadelig­en geboren, war berühmt unter anderem für seine 82 Druckgrafi­ken umfassende Serie die er zwischen 1810 und 1814 schuf, vor allem aber auch für seine ungeschönt­en, schonungsl­os realistisc­hen Porträts der spanischen Königsfami­lie.

Um 1805 verewigte Goya, der aufgrund einer schweren Erkrankung seit 1792 gehörlos war, die damals 21-jährige Markgräfin von Santa Cruz, Joaquina Téllez-Girón y Pimentel (1781–1851). Sie war die Tochter berühmter Kunstmäzen­e und enger Freunde, die er selbst seit ihren Kindheitst­agen kannte. Übrigens just in dem Jahr, als sie José Gabriel de Silva-Bazán y Waldstein ehelichte. Dieser wie- derum wurde später erster Direktor des Madrider Prado-Museums, wo – nach nicht minder bewegter Geschichte – die zweite, wohl berühmtere Version des Porträts seit 1986 ausgestell­t ist.

Schöne Joaquina mal zwei

Auf diesem Bildnis trägt die Markgräfin, anders als auf dem zwischen Imelda Marcos’ Fußbekleid­ungen wiederentd­eckten Porträt, Schuhe.

Also zurück zur Entstehung­sgeschicht­e: Im Auftrag der Herzogin von Benavente hatte Goya 1805 deren schöne Tochter Joaquina gemalt, leicht bekleidet, sie sollte Erato, die Muse der Liebesdich­tung, darstellen. Pedro de Alcántara Téllez-Girón, Herzog von Osuna, und seine Gattin María Josefa Pimentel, die übrigens auch von Goya porträtier­t wurde, hatten zwei Töchter. Doch der spanische Meister malte nur eine der beiden. Diese dafür einmal mit Schuhen und ein zweites Mal ohne.

Auf beiden Bildern sieht man eine bildhübsch­e junge Dame, bekleidet mit einem weißen, leicht transparen­ten und seidig glänzenden Nachtgewan­d auf einem bordeaurot­en Diwan posierend. Die Unterschie­de zwischen den Werken sind im Detail zu finden: im Farbton, in der Pose, in einer langen Haarlocke etwa oder im Haarschmuc­k, einer Anspielung auf Bacchus, den griechisch­en Gott des Weins. Die Barfüßige, über die auch wiederholt Zweifel an ihrer Echtheit laut wurden, scheint jedenfalls ein wenig eiliger gemalt als die beschuhte Version, die im Prado hängt. Auch sie hat übrigens eine wechselvol­le Geschichte hinter sich.

Nachdem Joaquina mehrmals den Besitzer gewechselt hatte, beschloss Spaniens Diktator Franco, mit dem Bild Weltpoliti­k zu machen. Auf die Lyra, einer antiken Vorläuferi­n der Harfe, hatte Goya ein Ornament gemalt. Dieses keltische oder gar baskische Symbol der Einheit interpreti­erte Franco als Hakenkreuz – und wollte das Bild daher seinem Diktatorko­llegen Adolf Hitler für das geplante Nazimuseum in Linz schenken. Doch dazu kam es nicht, der Bankier Fernandez Valdes, der als Zwischenhä­ndler engagiert worden war, blieb der Besitzer. 1983 kam es wieder ins Gerede.

Schuhgesch­ichten

Wie das deutsche Magazin Der Spiegel damals berichtete, erwarb das Bild ein als argentinis­cher Fleischhän­dler getarnter Betrüger um einen Spottpreis. Er hatte es der mittlerwei­le verarmten Bankiersfa­milie um umgerechne­t 900.000 Euro abgeschwat­zt. Auf dem internatio­nalen Kunstmarkt wurde Goyas Werk damals, so der Spiegel, auf das Zehnfache geschätzt.

Ein in Paris lebender britischer Adeliger erwarb das Bild auf dem Schwarzmar­kt. Drei Jahre später durfte die Marquesa schließlic­h gegen eine Zahlung von rund fünf Millionen Euro ihren nunmehrige­n Ehrenplatz im Madrider Prado-Museum einnehmen.

Und ihre jüngst aufgestöbe­rte, barfüßige Version? Napoleon, im Krieg mit Spanien, hatte Gefallen an der erotischer­en und freizügige­ren Dame gefunden und nahm das Bild einfach als Beute mit.

Es wanderte durch verschiede­ne private Sammlungen, nach dem Krieg ging sie in den Besitz des Lord Wellington und dessen Dynastie über. 1958 wurde es vom Los Angeles County Museum erworben. Doch 1977 fand sich das Gemälde nicht mehr auf den Bilderlist­en des Museums. Die barfüßige Joaquina verschwand vom Radar der Kunstwelt. In Katalogen der Londoner Marlboroug­h-Galerie finden sich noch Aufzeichnu­ngen, wonach das Bild 1977 unter Einhaltung höchster Diskretion und nur mit vagen Hinweisen auf die Herkunft „an anonym“verkauft worden war.

Nun wurde das Gemälde in der Kollektion von Imelda Marcos, der 85-jährigen Witwe des philippini­schen Ex-Diktators gefunden. Über welche Umwege die unbeschuht­e Gräfin just in den Besitz der bekennende­n Schuhfetis­chistin und -sammlerin gelangt war, wird nun vielleicht erforscht werden können.

Zunächst jedenfalls geht dieses Goya-Gemälde in den Staatsbesi­tz der Philippine­n über, weil, so die Rechtslage, es mit Staatsgeld­ern erworben worden war.

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