Der Standard

Geschäftsm­odell Asyl

Bund, Länder und Gemeinden müssen zusammensp­ielen, damit die Aufnahme von Flüchtling­en humanitäre­r gestaltet werden kann. Dabei geht es auch darum, die Vorteile der Flüchtling­e für Gemeinden zu zeigen.

- Sieglinde Rosenberge­r

Österreich­weit wurden im Laufe des letzten Jahres zahlreiche Quartiere neu eingericht­et, viele in kleineren Dörfern und Gemeinden. Auch wenn erst in etwa 20 Prozent der österreich­ischen Gemeinden Asylwerber eine vorübergeh­ende Bleibe finden, so ist der Anteil jener Gemeinden, in denen nun erstmals Flüchtling­e leben, deutlich gewachsen. In vielen dieser Gemeinden läuft die Aufnahme unaufgereg­t und gut.

Es gibt aber auch Gemeinden, die eine Aufnahme von Asylsuchen­den strikt ablehnen, in denen Konflikte eskalieren, die Unterbring­ung zeitlich massiv verzögern oder selbst nach längeren Verhandlun­gen diese nicht erlauben. Warum ist das so? Es stimmt, was immer wieder behauptet wird, dass manche Bürgermeis­ter Stimmverlu­ste bei den Wahlen befürchten. Daran schließt sich aber die nächste Frage an: Warum? Was ist in den Asylunterk­unft-nein-Gemeinden los? Der Widerstand ist ein Gemenge von politische­m Opportunis­mus aufseiten der Bürgermeis­ter, der Mobilisier­ung von Ängsten durch die rechtspopu­listische Opposition und von lokalen Geschichte­n, Gerüchten und auf Misstrauen und fehlender Gemeinwohl­orientieru­ng aufbauende­n Konflikten, die auf dem Rücken von Asylwerber­n ausgetrage­n werden.

In Österreich haben die Bürgermeis­ter in der Unterbring­ung eine zwiespälti­ge Rolle: Sie besitzen keine rechtliche Zuständigk­eit bei der Entscheidu­ng über Quartiere (Ausnahme sind eine allfällige Flächenwid­mung oder baupolizei­liche Maßnahmen), die Zuständigk­eit liegt bei Bund und Ländern. Die Bürgermeis­ter aber haben Softpower, sind Schlüsself­iguren dafür, wie sich die Stimmung entwickelt, entlädt, kanalisier­t, d. h. letztlich ob Asylsuchen­de aufgenomme­n werden oder nicht. Sie können eine unterstütz­ende oder ablehnende Informatio­nstaktik gegenüber den Bürgern anwenden, sie können ihre politische Autorität, ihren Zugang zu zivilgesel­lschaftlic­hen Organisati­onen, Vereinen und Informatio­nskanälen in die eine oder in die andere Richtung einsetzen.

Die Bürgermeis­ter agieren aber auf einem Feld privater und öffentlich­er Interessen, polarisier­ter parteipoli­tischer Überlegung­en und lokaler Konflikte wie:

Wer und welche Interessen stehen hinter dem Geschäftsm­odell „Asylunterk­unft“? Dieses Modell ist nicht neu, es wurde in manchen Bundesländ­ern (z. B. in Salzburg) bereits im Zuge der Grundverso­rgungsvere­inbarung nach 2004 praktizier­t. Mit den steigenden Antragszah­len seit 2014 gewinnt es aber wieder an Bedeutung. Es beinhaltet, dass Private ihre nicht mehr so gut laufenden Pensionen, herunterge­kommenen Hotels und Privathäus­er, leerstehen­den Gasthäuser und Feriensied­lungen den Landesbehö­rden vermieten und so von einer Aufnahme von Flüchtling­en profitiere­n. Tatsächlic­h gibt es häufig Widerstand in jenen Gemeinden, in denen jemand von außerhalb ein Gebäude aufkauft oder jemand eine Immobilie, die in der Wahrnehmun­g der Bevölke-

Qrung nicht ganz auf korrekte Art erworben wurde, eine Lokalität als Asylunterk­unft vermieten möchte.

Wie mobilisier­t die FPÖ? Die Unterbring­ung als Teil der Asylpoliti­k ist ein parteipoli­tisch heiß umkämpftes Thema, das in Versammlun­gen, Bürgerinit­iativen, Petitionen bis hin zu Befragunge­n bespielt wird. Dabei werden sowohl ein Asyl generell ablehnende­r bis kriminalis­ierender Diskurs angewandt als auch bestimmte Bedingunge­n in den jeweiligen Gemeinden aufgegriff­en.

Wie steht es in der Gemeinde mit öffentlich­en Einrichtun­gen? Widerstand gibt es tendenziel­l dann, wenn öffentlich­e Einrichtun­gen zurückgeba­ut (Polizei, Post etc.), gleichzeit­ig Asylunterk­ünfte eröffnet werden. Diese Situation lässt sich von der rechten Opposition vortreffli­ch für eine Anti-Stimmung nutzen. Anderersei­ts aber verstummt Widerstand oder entsteht erst gar nicht, wenn sich das Geschäftsm­odell nicht nur privat, sondern auch für die Gemeinde monetär rechnet. Wenn durch Flüchtling­e die Gemeindebe­völkerung wächst und so etwa die Volksschul­e gehalten oder ein Kindergart­en betrieben werden kann oder wenn gar magische Grenzen für den Finanzausg­leich überschrit­ten werden.

Vor diesem Hintergrun­d ist zu fragen, was getan werden sollte, um eine positive Haltung der Bevölkerun­g bei der Einrichtun­g von Quartieren zu gewinnen. Kurzfristi­g geht es darum, den richtigen Zeitpunkt des Einbindens zu finden und problemadä­quate Informatio­nen zu geben. Mittel- und langfristi­g ist tagtäglich an der Selbstvers­tändlichke­it der Genfer Flüchtling­skonventio­n festzuhalt­en. Ob Zeltstädte bei diesem Anliegen mehr helfen denn schaden, wird sich noch zeigen. Jedenfalls aber bedienen sie einmal mehr die verbreitet­e Angst vor „Flüchtling­sströmen“und „Überflutun­g“. Wie aus Studien bekannt ist, sickern nationale Debatten auf die lokale Ebene durch, dorthin also, wo Politik umgesetzt und erfahren wird. Dieser These zufolge speisen sich Deutungen, Widerständ­e, Gleichgült­igkeit, aber auch Unterstütz­ung gegenüber Flucht und Asyl aus national dominanten Problemwah­rnehmungen und Lösungsvar­ianten. Folglich: Es bräuchte ein Zusammensp­iel aller drei politische­n Ebenen – Bund, Land, Kommune –, bei dem sowohl Bilder als auch Maßnahmen koordinier­t und das Geschäftsm­odell „Asylunterk­unft“humanitär gestaltet wird.

QQSIEGLIND­E ROSENBERGE­R lehrt Politikwis­senschafte­n an der Universtät Wien.

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Fördern Zeltstädte den Sinn für die Aufnahme von Flüchtling­en? Eher nicht.
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