LESERSTIMMEN
Differenzierter analysieren
Betrifft: „Extremistische Internationale“von Anton Pelinka
der Standard, 30./31. 5. 2015 Anton Pelinka sieht im Populismus der äußeren Rechten und Linken die liberale Demokratie gefährdet. Seiner Analyse ist auf den ersten Blick zuzustimmen.
Wie jede Analyse ist aber auch jene von Pelinka ein Konstrukt, das gewisse Aspekte ausblendet, um Konsistenz zu erzeugen. Wird denn etwa die liberale Demokratie auch gefährdet, wenn die griechische Regierung die Wirtschaftspolitik der EU infrage stellt, der es nicht gelingt, die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und das marode Gesundheitssystem in Griechenland zu sanieren? Kritik bedeutet freilich nicht, dass gleich einer neoliberalen Verschwörung das Wort geredet wird.
Vielmehr ist zu fragen, ob es einer liberalen Demokratie entspricht, wenn sich die europäischen Finanzminister von den Grundsatzdiskussionen, die Yanis Varoufakis über die Austeritätspolitik führen wollte, genervt fühlen. Erst vor kurzem hat András Szigetvari in einem Standard- Artikel darauf hingewiesen, dass Varoufakis Positionen vertrete, die zwar aneckten, aber zu einem vereinten Europa passten. Und diese Positionen sollten eben auch in einem demokratischen Europa ihren Platz haben. Offenbar wird aber zunehmend vergessen, dass die liberale Demokratie eines offenen Diskurses bedarf, um ihren Erhalt und ihre Fortentwicklung zu garantieren. Ist es in einer liberalen Demokratie nicht notwendig, hegemoniale politische Positionen infrage zu stellen, auch wenn die Alternativen dazu freilich unterschiedliche Qualität aufweisen können?
In diesem Zusammenhang ist auch zu fragen, ob Populismus auf die Konstruktion von Gut-BöseSzenarien, aus denen wiederum Bedrohungsszenarien und Verschwörungstheorien resultieren, reduziert werden kann. Muss nicht zwischen „Rechts-“und „Linkspopulisten“deutlich unterschieden werden? Schadet es nicht der liberalen Demokratie, wenn sie in einem Atemzug als „extremistische Internationale“bezeichnet werden – gerade weil sie ja ideologisch so unterschiedlich sind? Und ist Populismus, wenn differenziert wird, denn per se als negativ zu betrachten?
Dabei wird deutlich, dass die Problematik des „Populismus“, der immer auch mit einer Legitimationskrise der politischen Eliten zu tun hat, differenzierter zu analysieren ist, als es auf dem ersten Blick erscheinen mag.
Thomas Hellmuth Institut für Geschichte
Universität Salzburg