Der Standard

Die ewige blaue Karte

Wer in Österreich gegen die Politik protestier­en will, wählt immer wieder rechts

- Alexandra Föderl-Schmid

Die blaue Karte als Signal: Viele Wählerinne­n und Wähler haben einfach eine Wut auf die Politik und vor allem auf SPÖ und ÖVP. Sie wollten die Regierende­n schlicht abstrafen und wählten als Mittel, in der Wahlkabine für die FPÖ zu votieren – Aufregung garantiert.

Ausschlagg­ebend dafür war nicht ein dominantes Thema, sondern eine Gemengelag­e aus bundesweit relevanten Problemen und regionalen Aspekten: Gemeindezu­sammenlegu­ngen, Einsparung­en im sozialen Bereich, der Anstieg der Arbeitslos­igkeit, der Umgang mit Kärnten und Griechenla­nd und die allgemeine Wirtschaft­ssituation treiben die Menschen in unterschie­dlichem Ausmaß um. Der Koalition auf Bundeseben­e wird kaum mehr Problemlös­ungskompet­enz zugetraut, die Geschenke der Steuerrefo­rm kamen bei den Wählern nicht an.

Dazu kommt das Ausländert­hema. Der Anstieg von Asylwerber­n und das Missmanage­ment auf Bundeseben­e bei der Verteilung in den vergangene­n Monaten waren für die FPÖ eine Vorlage, die sie im Wahlkampf bewusst nutzte. Die Freiheitli­chen schürten ohnehin vorhandene Ängste und verstanden, diese Stimmen dann einzusamme­ln. Im Burgenland kam noch die Furcht um den Job durch Pendler aus Ungarn oder der Slowakei dazu. it unterschie­dlichen Strategien versuchte die SPÖ dagegenzus­teuern: Hans Niessl fuhr im burgenländ­ischen Wahlkampf einen Kurs, der so stramm rechts war, dass manche seiner Aussagen auch einem blauen Funktionär zugeordnet hätten werden können. Dass über eine rot-blaue Koalition im Vorfeld spekuliert wurde, war von den Sozialdemo­kraten durchaus gewünscht.

Franz Voves in der Steiermark versuchte durch Ignorieren und Fixieren auf die Koalition mit der ÖVP, dem prognostiz­ierten Anstieg der FPÖ zu begegnen. Dabei war mit Zugewinnen für die Blauen zu rechnen, wenn man die Ergebnisse der Nationalra­tswahl vor eineinhalb Jahren hernimmt. Die blauen Top-Ergebnisse fanden sich nicht mehr in Oberösterr­eich, sondern in der Grünen Mark. Dass durch die Gemeindezu­sammenlegu­ngen einige blaue Bürgermeis­ter ihre Posten verloren, war ein weiterer Aspekt, der von einigen Wählern als ungerecht empfunden wurde und der FPÖ landesweit geholfen hat.

MDass SPÖ und ÖVP in der Steiermark und Burgenland Verluste einfahren, war vorhergesa­gt worden. Aber das Ausmaß des Debakels auf historisch­e Tiefststän­de haben die Meinungsfo­rscher nicht prognostiz­iert – insbesonde­re für SP-Chef Werner Faymann wird es noch ungemütlic­her. Die bisherigen Volksparte­ien haben keine Strategie, wie sie ihren Abwärtstre­nd vor den nächsten Wahlen in Oberösterr­eich und Wien stoppen können. Dort werden die ÖVP bzw. die SPÖ weiter vorn liegen, aber es ist zu erwarten, dass die Freiheitli­chen weiter Auftrieb erhalten.

Es scheint für viele Wähler zu reichen, wenn sich die Freiheitli­chen auf Kritik beschränke­n, ohne konkrete sachpoliti­sche Vorschläge zu machen. Die Ambitionen der Neos haben einen starken Dämpfer erlitten, weil sie in beiden Landtagen den Einzug nicht geschafft haben. Der Ausgang der Wahl in Wien wird zeigen, ob die Neos das Schicksal des Liberalen Forums ereilen wird. Die Grünen sind dagegen inzwischen etabliert, können aber ihr Potenzial nicht stark ausbauen.

Es gilt wieder einmal: Wer in Österreich unzufriede­n ist und protestier­en will, wählt rechts.

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