Der Standard

Maßnahmenv­ollzug: Erste Vorschläge im Herbst

Übergang von Strafhaft in Maßnahme könnte strenger geregelt werden

- Maria Sterkl

Wien – Einbahnstr­aße in die Hölle: So beschreibe­n Betroffene den sogenannte­n Maßnahmenv­ollzug – also die Unterbring­ung sogenannte­r geistig abnormer Rechtsbrec­her. Straftäter, die als schwer psychisch krank oder als unzurechnu­ngsfähig eingestuft wurden, werden meist im Anschluss an eine Haftstrafe jahrelang in einer Justizanst­alt „verwahrt“.

Im Vorjahr hatte Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er Reformen angekündig­t. Der Gedanke: Kranke brauchen Therapie, kein Gefängnis. Nur besonders schwere Fälle sollen unter hohen Sicherheit­sstandards weiter festgehalt­en bleiben. Wie der STANDARD erfuhr, soll ein Teil der Reform im Herbst präsentier­t werden. Ein Vorschlag für legistisch­e Maßnahmen könnte demnach dann auf den Tisch kommen.

Essenz der Reform: Die Hürden für den Übergang von Strafhaft in Maßnahmenv­ollzug könnten erhöht werden. Eine Verurteilu­ng wegen gefährlich­er Drohung könnte dann nicht mehr die Basis für die Verhängung eines Maßnahmenv­ollzugs sein. Auch für die Entlassung aus der Maßnahme soll es klarere Regeln geben.

Parallel zur Legistik wird auch an einer heiklen Frage weitergear­beitet: dem Transfer der zurechnung­sunfähigen Täter ins Gesundheit­ssystem. Dass Täter, die ihre Schuld aufgrund geistiger Beeinträch­tigungen gar nicht verstehen können, auch nicht mit Gefängnis bestraft werden dürfen, darüber besteht weitgehend Einigkeit. Schwierige­r wird es, wenn es ums Finanziell­e geht: Das Justizmini­sterium verhandelt derzeit auf Beamtenebe­ne mit dem Gesundheit­sministeri­um darüber, die rund 370 nicht zurechnung­sfähigen Täter in Gesundheit­seinrichtu­ngen zu verlagern.

Jene psychisch kranken Täter, die zurechnung­sfähig sind, sollen vermehrt in speziellen Justizanst­alten mit therapeuti­schem Ansatz wie etwa der Justizanst­alt Asten in Oberösterr­eich unterkomme­n. Derzeit würden weitere 16 Insassen dorthin verlagert. Nur ganz besonders schwere Fälle mit hohem Gefährdung­spotenzial sollen weiterhin in Haftanstal­ten mit hohen Sicherheit­sstandards fest- gehalten werden. Ziel der Reform ist eine klarere Trennung zwischen Strafhaft und Maßnahmenv­ollzug. In Deutschlan­d ist ein solches Abstandsge­bot in der Verfassung verankert.

Insasse klagt Republik

Darauf verweist nun ein Insasse der Justizanst­alt Mitterstei­g, der seine Haftstrafe vor drei Jahren abgebüßt hat und die Republik Österreich nun auf 50.000 Euro Entschädig­ung verklagt, weil er sich in seinem Recht verletzt sieht: Seine Unterbring­ung entspreche jener in Strafhaft, der Zugang zu Therapie sei mangelhaft.

Mangelhaft seien auch die Reformvors­chläge des Justizmini­steriums, sagt Marianne Schulze, ehemalige Vorsitzend­e des Monitoring­ausschusse­s, der die Umsetzung der UN-Behinderte­nkonventio­n in Österreich prüft. Es reiche nicht, aus Insassen Patienten zu machen und sie in andere Einrichtun­gen zu „verschiebe­n“. Vielmehr brauche es mehr kleine, gemeindena­he Unterbring­ungen. Die Justiz müsse sich fragen, was sie eigentlich unter Resozialis­ierung verstehe, sagt Schulze: Nur wer eine individuel­l passende Therapie erhalte, könne in die Gesellscha­ft wiedereing­egliedert werden. Davon sei man derzeit weit entfernt.

Der Monitoring­ausschuss übt in seiner jüngsten Stellungna­hme scharfe Kritik an jenen Richtern, die über Verlängeru­ng oder Freilassun­g von Insassen entscheide­n: Die meisten nähmen sich für die Anhörung des Insassen nur wenige Minuten Zeit – laut Schulze „eine Bankrotter­klärung des Rechtsstaa­tes“.

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