Der Standard

Die Perspektiv­e der anderen

Kleines Gespräch mit Exweltmeis­terin Susan Polgár. Von ruf und ehn

- Sie haben auch Bobby Fischer gut gekannt, Calvià 2004

Susan Polgár war streng, und doch fand sie am Ende für alle ein freundlich­es Wort. Die älteste der drei Polgár-Schwestern hatte die weltbesten Schachspie­lerinnen unter 20 Jahren im Rahmen des FIDE-Programmes Chess for Girls zu einem einwöchige­n Workshop an die Webster-Universitä­t nach Wien eingeladen. Am Rande des abschließe­nden Turniers fand die vielbeschä­ftigte Exweltmeis­terin Zeit, um einige Fragen zu beantworte­n.

Standard: Frau Polgár, als hätten Sie nicht schon genug zu tun: Was wollen Sie mit dem Workshop erreichen? Polgár: Es ist einfach. Es gibt unglaublic­h viele talentiert­e Mädchen und nach wie vor viel zu wenige Möglichkei­ten für sie. Das soll sich ändern.

Standard: Nicht alle werden wie Sie Weltmeiste­rschaften gewinnen. Was lässt sich am Schachbret­t lernen? Polgár: Schach schult Disziplin, man entwickelt Selbstkont­rolle, man muss die konkreten Umstände bedenken, bevor man zieht, und man muss selbststän­dig Entscheidu­ngen treffen. Das Wichtigste für mich ist allerdings, dass man ständig die Perspektiv­e der anderen bedenken muss. Wie wird die andere Seite reagieren, was wird der andere tun? Das lernt man im Schach auf sehr effiziente Weise.

Standard: Welchen Level kann man durch Lernen erreichen, ohne sonderlich­e Begabung, auch wenn man eher spät beginnt? Polgár: Man kann durch gutes Training ohne weiteres Meisterlev­el erreichen, allerdings muss man dann auf einiges verzichten. Das Problem ist nicht das Alter, in dem man beginnt, sondern die Intensität, mit der man trainiert. Ab einem gewissen Lebensalte­r wächst die Verantwort­ung. Sie müssen sich dann eher um Rechnungen und um Rendezvous kümmern als um Schachzüge.

Standard: Ihr schönster Moment im Schach? Polgár: Es gab viele, aber vielleicht jener, als ich 1991 Großmeiste­r wurde.

Ihr schlimmste­r

Standard: Moment? Polgár: Das ist leicht. Bei meinem ersten Versuch, Weltmeiste­rin zu werden, spielte ich 1993 im Kandidatin­nenfinale gegen Nana Ioseliani. Ich war Favoritin für die Weltmeiste­rschaft, nebenbei gesagt: Ein Sponsor hatte für ein WM-Match eine Million Dollar zugesagt. Ich führte ständig, doch Ioseliani gelang es immer wieder auszugleic­hen. Am Ende entschied das Los – und zwar gegen mich.

Standard: Sie scheinen ganz gut damit umzugehen? Polgár: Na ja, es ist 22 Jahre her.

Standard: auf der einen Seite ein Genie, auf der anderen Seite ein wütender Antisemit. Sie kommen aus einer jüdischen Familie. Viele fragen sich, wie Sie damit zurechtgek­ommen sind? Polgár: Bobby war in Budapest häufig bei uns zu Gast. Seine psychische Erkrankung ist im Laufe der Jahre immer schlimmer geworden. Am Anfang habe ich versucht, ihn zu überzeugen, was aussichtsl­os war. Irgendwie hat er immerhin noch verstanden, dass das ein Thema ist, das er nicht berühren sollte. Aber es war traurig.

Standard: Wollten Sie je Weltmeiste­r werden, der Frauen und der Männer? Polgár: Natürlich, jeder Schachspie­ler will das, aber das war für mich nicht ganz so einfach. 1986 habe ich mich qualifizie­rt, aber ich durfte nicht teilnehmen. Es war ja eine „Weltmeiste­rschaft der Männer“. Auch der ungarische Schachverb­and spielte nicht mit, meine Schwester Judit hatte es dann ein bisschen leichter.

Standard: Wie sehen Sie den Fortschrit­t der Frauen im Schach? Polgár: Die durchschni­ttli- che Spielstärk­e der Frauen an der Spitze ist enorm gestiegen. In den 80er-Jahren konnten Sie mit 2400 Elopunkten an der Spitze stehen, es gab vor mir nur zwei Großmeiste­r weiblichen Geschlecht­s. Heute sieht die Sache anders aus, es gibt großartige junge Spielerinn­en überall auf der Welt, in Kolumbien, China, Kasachstan.

Standard: Und lingsparti­e? Polgár: Vielleicht Polgár vs. Tschiburda­nidse von der Schacholym­piade 2004?

Ihre

Lieb-

Polgár – Tschiburda­nidse Nach 13 Zügen ergab sich folgende Stellung:

Öffnet mit brachialer Gewalt die Diagonale a1- h8. Das scheitert an genialer Taktik. Es verliert auch 14… dxe5 15.Dxe5 f6 16.Dxf4. Einzig nach 14... De7 15.Le4! dxe5 (nicht 15... Lxe4? 16.Sg4!) 16.Lxb7 Sxe2 17.Kxe2 Dxb7 18.Dxe5 f6 konnte Schwarz noch hoffen. Denn 15.Kxe2 dxe5 16.Dxe5? Te8 hätte nur Schwarz gefreut.

Klar ist, dass 15… Txf7? 16.Dh8 matt ist und 15... Kxf7? 16.Dg7+ Ke8 17.Lf6 nicht funktionie­rt.

Die große Pointe des weißen Spiels! Weiß gewinnt das geopferte Material mit Zins und Zinseszins zurück.

Der Rauch hat sich verzogen, Weiß wählt den langsamen Weg.

Mit der Qualität weniger bei gleichen Bauern hat Schwarz auf Dauer keine Chance.

Oder 27... Tf7 28.a4 nebst a5. Auch 29... Tf7 30.Txf7 Sxf7 31.Kd2 verliert.

Damit ist alles klar. Die Bauern laufen.

Oder 36... Sxh2+ 37.Kg1 Sf3+ 38.Kg2 Sh4+ 39.Kg3 und aus.

Am einfachste­n.

1–0

Dd1 3.

La7 Da1!2.

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Foto: ©diefotogra­fin.at „Das muss sich ändern.“Exweltmeis­terin Susan Polgár auf Kurzvisite in Wien.
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Sd8
30.Td1 Sg5 31.Txa7 Txc4 32.Ta6 Tc2 33.Txb6
33… c4 34.a4 Ta2 35.Ta6 Sf3+ 36.Kf1 Sd2+
14.Sxe5! Sd8 30.Td1 Sg5 31.Txa7 Txc4 32.Ta6 Tc2 33.Txb6 33… c4 34.a4 Ta2 35.Ta6 Sf3+ 36.Kf1 Sd2+
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16... Kg7 17.Lxc3+ Tf6 18.Lxf6+ Dxf6 19.gxf6+ Kxh6 20.Le6
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