Der Standard

Richtiger Schritt

- Günther Oswald

Der Zeitpunkt ist schon etwas seltsam gewählt. Nur wenige Tage nach dem Beschluss der „größten Steuerrefo­rm der Zweiten Republik“kommen Reinhold Mitterlehn­er und Hans Jörg Schelling auf die Idee, die kalte Progressio­n abschaffen zu wollen. Wenn das der ÖVPSpitze wirklich ein Anliegen wäre, warum hat man die schleichen­de Steuermehr­belastung dann nicht gleich gemeinsam mit der Tarifrefor­m beseitigt, könnte der gemeine Steuerzahl­er fragen.

An dieser Stelle soll aber nicht nur über das fragwürdig­e Zeitmanage­ment genörgelt werden. In der Sache haben der ÖVP-Chef und sein Finanzmini­ster zu 100 Prozent recht. Die kalte Progressio­n führt jedes Jahr zu Steuererhö­hungen, die nie von einem Parlament beschlosse­n wurden, wie der frühere Chef des Instituts für Höhere Studien, Christian Keuschnigg, richtigerw­eise festgestel­lt hat.

Für die Politik würde sich durch das Abschaffen der Umgang mit Steuergeld grundlegen­d verändern. Erstens könnten den Bürgern nicht mehr alle paar Jahre Steuerzuck­erln verkauft werden, die diese ohnehin bereits bezahlt haben. Und zweitens würde der Budgetdruc­k steigen. Wie man damit umgeht, bliebe aber auch in Zukunft Interpreta­tionssache. Die ÖVP möchte eher auf der Ausgabense­ite kürzen, die SPÖ denkt an Erbschafts- und Vermögenss­teuern. An diesem grundsätzl­ich unterschie­dlichen Zugang wird auch das Abschaffen der kalten Progressio­n nichts ändern.

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