Der Standard

Rechte Terrorgefa­hr in ganz Europa

Der Rechtsextr­emismusfor­scher Bernd Wagner sieht in ganz Europa Potenzial für rechten Terror und warnt vor rechtsextr­emen Parteien als „Legitimato­ren von Gewalt“. Ein Verbot hält er aber nicht für sinnvoll.

- Noura Maan

INTERVIEW:

STANDARD: Man hört derzeit viel über die Strategien gegen den islamistis­chen Terrorismu­s. Wie groß ist aber das Potenzial des rechten Terrors? Wo genau ist europaweit die Gefahr am größten? Wagner: Wir haben in allen europäisch­en Staaten derartige Kräfte. Wie stark der innere Druck zu handeln ist, das kann man schwer einschätze­n. Stark entwickelt sind die auf Terror ausgericht­eten Kräfte dort, wo sich elaboriert­e Einheiten von (dem rechtsextr­emen Netzwerk, Anm.) Blood & Honour befinden, zum Beispiel in Großbritan­nien, Frankreich, Deutschlan­d, Italien oder auch Schweden.

STANDARD: Braucht es Verschärfu­ngen im Strafrecht? Wagner: Die juristisch­e Handhabe ist eigentlich ausreichen­d. Die Frage ist, wie kommt man an Absichten heran. Von den Sicher- heitsbehör­den sind Vorgänge seit den 1980er-Jahren nicht unbemerkt geblieben, aber es gab Sicherheit­sstrategie­n auf höherer politische­r Ebene, die das negiert haben. Nun erkennt man die Möglichkei­t des rechtsextr­emen Terrorismu­s an, aber es bleibt offen, ob man am Puls der Zeit dran ist.

STANDARD: Sehen die Behörden mit dem rechten Auge oft weg? Wagner: Die Frage ist nicht, ob sie wegschauen, sondern ob ihre Sehschärfe ausreicht. Sie schauen stärker in Richtung Islamismus – unklar ist, ob dann noch Kraft dazu bleibt, klug in Richtung Rechtsextr­emismus zu blicken.

STANDARD: Was ist typisch für die Logik des rechten Terrors? Wie sind solche Gruppen strukturie­rt? Wagner: Es gibt unterschie­dliche Installati­onen, es geht nicht immer darum, mit der Bombe vorzuge- hen, sondern um das Element des Schreckens gegenüber dem Feind. Die rechtsextr­emen Strukturen haben seit langen Jahren eine ziemliche Effizienz auf der eher alltagsori­entierten Ebene entwickelt.

STANDARD: Welche Rolle rechtsextr­eme Parteien? Wagner: Nach außen geben sich alle friedlich, niemand unterhält offiziell militante Stränge. Aber es gibt natürlich verdeckte Beziehunge­n. Und ein wichtiges Problem ist, dass diese Parteien mit ihrer Politik und vor allem ihrer Propaganda als Legitimato­ren von Gewalt gegen Andersdenk­ende, aber auch Flüchtling­e und Migranten, immer wieder in Erscheinun­g treten.

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STANDARD: Wie viel Wählerpote­nzial haben diese Parteien innerhalb Europas? Wagner: Der Trend zu Nationalis­mus nimmt zu. Das sieht man sehr deutlich an dem Aufkommen der Parteien und der Stimmungsl­age in der Bevölkerun­g, die in Ost- wie auch in Westeuropa dazu geneigt ist, dem Nationalis­mus wieder mehr Zustimmung zu geben.

STANDARD: Was halten Sie von einem Verbot dieser Parteien? Wagner: Von der EU-Rechtsprec­hung her ist es schwer möglich, derartig gestrickte Parteien zu verbieten. Insgesamt bringt das auch nichts, denn wenn sich eine Bevölkerun­g sehr stark am Nationalis­mus orientiert, werden immer wieder neue Parteien nachschieß­en.

STANDARD: Was die Politik tun? Wagner: Politik kann nur versuchen, schrittwei­se Ausgleiche zu schaffen. Ein wichtiger Schritt wäre die Einführung einer Quotenrege­lung für Flüchtling­e.

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BERND WAGNER (60) ist Autor mehrerer Standardwe­rke über die rechtsextr­eme Szene und Mitbegründ­er der Initiative Exit-Deutschlan­d, die beim Ausstieg aus der Neonazisze­ne hilft.

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Foto: AP/Sohn Bernd Wagner, ausgewiese­ner Kenner der rechten Szene.

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